Wie weit geht das Versteckspiel?

War das wirklich der neue Red Bull RB18 oder nur die FIA-Studie auf Red Bull lackiert? Im Vergleich mit dem Showcar der Formel 1 und dem Haas VF-22 wird schnell klar, dass Red Bull seine Karten noch nicht aufgedeckt hat.
Red Bull war in seinen 18 Jahren Formel 1 oft der Erste auf der Rennstrecke, aber nur ganz selten der erste auf der Präsentationsbühne. In diesem Team hat es Tradition, erst in letzter Minute fertigzuwerden, und manchmal noch nicht einmal das. Wir erinnern uns zurück an Testfahrten in Barcelona, wo ganze Lastwagenladungen an neuen Teilen nachgeschoben wurden.
Und jetzt ist Red Bull mit seinem RB18 das zweite Team, das die Hüllen fallen lässt. Schneller war nur noch Haas. Das kann man verstehen. Die Amerikaner haben früher mit der Entwicklung ihres 2022er Autos begonnen als alle anderen. Red Bull dagegen zählte zu den letzten, die sich vom alten Modell trennen konnten. Der Gewinn des WM-Titels hatte Vorrang. Und ausgerechnet jetzt soll Adrian Newey und seine Truppe einen Schnellschuss gelandet haben? Nie im Leben.
Ein Showcar, auf Red Bull getrimmt
Das, was uns da als Red Bull RB18 gezeigt wurde, sah aus wie das Showcar der FIA in Red-Bull-Farben lackiert. Da hat Haas viel mehr die Katze aus dem Sack gelassen, auch wenn die Amerikaner bei den gezeigten Computergrafiken von einem "frühe Entwicklungsstadium" sprechen. Beide Teams werden in Barcelona mit anderen Autos auftreten. Red Bull aber noch deutlich mehr als Haas.
Die Ähnlichkeiten des angeblichen Red Bull RB18 mit dem Showcar, das die FIA und die Formel 1 letztes Jahr in Silverstone präsentiert haben, sind unverkennbar. Der gleiche Kühleinlass, die gleichen Seitenkästen, der gleiche Unterboden, die gleiche Motorabdeckung, die gleiche Airbox, der gleiche Diffusor. Nur der Frontflügel und die Nase unterscheiden sich. Der Frontflügel ist dreiteilig, die Nase etwas spitzer.
Da unterscheidet sich der Haas VF-22 schon deutlicher von dem Vorzeigemodell der FIA. Die Nase ist kantiger und schmaler, die Kühleinlässe kleiner, der Einlass in den Unterboden-Tunnel filigraner, die Airbox dreieckiger, die Seitenkästen deutlich stärker eingezogen, der Diffusor größer und eckiger. Und Teamchef Guenther Steiner kündigt an: "Da kommt noch etwas."
Kostendeckel verbietet Präsentationsauto
Der Kostendeckel von 140 Millionen Dollar verhindert, dass die Teams eine frühe Entwicklungsstufe als reales Auto zeigen, so wie das früher oft üblich war. Die Übung für die Präsentation eine extra Verkleidung über das Chassis zu stülpen, um dann in Barcelona schon mit der zweiten Version aufzukreuzen würde zu viel Geld kosten.
"Das macht keiner, der mit jedem Dollar rechnen muss", sagt Steiner. Selbst in Bahrain werden nur marginal Unterschiede zum Barcelona-Test erwartet. "Die Zeit ist gar nicht da, auf die ersten Erkenntnisse von Barcelona eine Reaktion zu zeigen", heißt es bei Ferrari.
In Zeiten der Budgetdeckelung muss das Versteckspiel anders gehen. Entweder mit einer Computeranimation wie bei Haas. Oder mit einem Showcar, das in den neuen Teamfarben lackiert wurde. Das kostet nur die Lackierung.
Viele Teams haben im letzten Jahr ein Showcar von den Rechteinhabern gekauft. Das fällt unter Marketingaktivitäten und zählt damit nicht zum Kostendeckel. Es ist deshalb zu befürchten, dass noch mehr Teams ihr Auto vor den Testfahrten nur virtuell oder als umlackiertes Showcar präsentieren.
Wenn sich auch andere Teams der Red -Bull-Taktik anschließen, könnte der Schuss für die Formel-1-Verantwortlichen nach hinten losgehen. Es könnte dann nämlich den Eindruck erwecken, dass die 2022er Autos alle gleich aussehen.
Die Unterschiede werden sicher geringer ausfallen, ist sich Haas-Technikchef Simone Resta sicher. Es gibt trotzdem noch einige Bereiche, bei denen die Ingenieure Freiheiten haben. Der Frontflügel, die Nase, den Einlass in die Kühler, die Tunnel im vorderen Bereich des Unterbodens, die Oberseite des Bodens im mittleren Bereich und die Motorabdeckung, sowohl im Profil als auch in der Draufsicht.