Fango in Faro

Bevor der vierte WM-Lauf des Jahres am Donnerstag (3.4.)
beginnen kann, steht erst noch der Weltuntergang auf dem Programm.
Der Favorit für das Schlammcatchen in Faro heißt einmal mehr
Sébastien Ogier.
Über Wochen hat es genieselt, geregnet, geschüttet. Ein Teil der Wertungsprüfungen stand am Dienstag so unter Wasser, dass die Fahrer das Training abbrechen mussten. Bei den offiziellen Testfahrten am Montag war die Piste so seifig, dass zahlreiche Fahrer von der Strecke abkamen, darunter auch der einzige deutsche Vertreter im Feld. Christian Riedemann musste an seinem Citroën DS3 R3 schon vor dem Start der Rallye eine gebrochene Radaufhängung reparieren lassen.
Die Verhältnisse erinnern an die Rallye Portugal 2001, bei der die Strecken so aufweichten, dass gar Allradautos stecken blieben. Anschließend verschwand die Rallye für ein halbes Jahrzehnt aus dem Kalender. So schlimm soll es aber dieses Mal nicht kommen, der Wetterbericht droht zwar am Donnerstagmorgen noch mit Schauern, dann soll es aber im Verlauf des Wochenendes sukzessive trockener werden.
Ogier klar in der Favoritenrolle
Nass gemacht hat der Favorit seine Kontrahenten schon vorher. Sébastien Ogier hat an Portugal ohnehin gute Erinnerungen. 2010 gewann er im Algarve-Stadion in Faro seine erste WM-Rallye, 2014 sicherte sich der Weltmeister schon im Vorfeld den Sieg beim Fafe-Sprint, einer kurzen Showrallye im Norden des Landes.
Ogier scheint das Glück des Tüchtigen zu haben. Schließlich muss er nach seinem Mexiko-Sieg und der Übernahme der Tabellenführung am Freitag in Portugal als Erster auf die Piste. Sollte es weiter nass bleiben, hätte er einen klaren Vorteil. Das Rodeln über den sonst eher losen Schotter bleibt ihm nicht nur erspart, die Fahrer mit hinteren Startpositionen hätten zudem mit zunehmend tiefen Spuren zu kämpfen.
Nachdem die Akropolis-Rallye aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Kalender flog, ist der portugiesische WM-Lauf der härteste des Jahres. Nach der dünnen Höhenluft Mexikos wird nun nur knapp über Meereshöhe gefahren. Die erste europäische Schotter-Rallye der Saison dient seit einigen Jahren als erster echter Gradmesser für das Potenzial der Autos.
Hyundai mit drittem Werksauto
Bei Neueinsteiger Hyundai beeilte man sich nach dem dritten Rang in Mexiko zu erwähnen, dass mit derlei Ergebnissen keineswegs regelmäßig zu rechnen sei. Die Koreaner profitierten in Lateinamerika von Problemen der Konkurrenz, aber Speerspitze Thierry Neuville verbreitet Zuversicht und vermeldet, dass es mit der Entwicklung des i20 ordentlich vorangehe. Offenbar sind einige Baustellen des Teams aus Alzenau so zügig aussortiert worden, dass Teamchef Michel Nandan deutlich eher als geplant ein drittes Werks-Auto gemeldet hat. Nach seinem zwischenzeitlichen dritten Rang beim Auftakt in Monte Carlo darf sich überraschend der Spanier Dani Sordo versuchen, der eigentlich nur für Asphalt-Rallyes gebucht war. Den zweiten i20 pilotiert der Finne Juho Hänninen.
Sollte die Strecken nass bleiben, muss das favorisierte VW-Werksteam Ford auf der Rechnung haben. Der Fiesta war auf besonders grobem oder schlüpfrigem Geläuf schon immer ausnehmend stark. 2012 gewann das M-Sport-Team nach der Disqualifikation von Citroën-Mann Mikko Hirvonen hier seinen letzten WM-Lauf. Der Routinier aus Jyväskylä war mit defensiver Fahrweise zuvor einer der wenigen, der die glitschigen Prüfungen fehlerlos meisterte. Hirvonen sitzt nun wieder in einem Ford und zeigte zuletzt in Mexiko ansteigende Form.
Für seine M-Sport-Teamkollegen Elfyn Evans und Robert Kubica geht es dagegen eher ums Kilometer sammeln und die weitere Gewöhnung an ein World Rally Car. Im Vorjahr waren beide noch in einem schwächeren WRC2-Auto unterwegs. Portugal ist der erste WM-Lauf, den der frühere Formel-1-Star Kubica bereits einmal bestritten hat, doch der Pole will von einem Vorteil nichts wissen: "Etwa die Hälfte der Strecken sind neu." Interessant wird der Auftritt von Ott Tänak, der im Fiesta WRC nach seiner Rückkehr in die WM schon in Schweden einen starken Auftritt hatte und lange schneller war als der mehrmalige Vize-Weltmeister Hirvonen.
Nur Latvala könnte Ogier stoppen
Einen weiteren Lerneinsatz hat Kris Meeke im Citroën-Werksauto. Der Nordire ist noch nie mit einem World Rally Car an der Algarve gewesen. Höher sind dagegen die Erwartungen an den Mann im zweiten DS3. Mads Östberg bot schon bei der Schlammschlacht 2012 eine starke Vorstellung. Hier holte er seinen ersten und bisher einzigen WM-Erfolg, nachdem ausgerechnet sein gegenwärtiger Arbeitgeber wegen einer nicht homologierten Kupplung am Hirvonen-Auto den scheinbar sicheren Erfolg verlor.
Wenn aber überhaupt jemand den dominanten VW-Mann Ogier stoppen kann, dann am ehesten sein Teamkollege. Jari-Matti Latvala ist mit breiter Brust nach Europa zurückgereist. Noch nie hatte er nach dem ersten Saison-Quartal so viele Punkte. Mit 60 Zählern liegt er nur knapp hinter Ogier. Und nach einem Jahr hat sich der Finne auch auf seinen Polo eingeschossen. "Es geht jetzt nur noch um Kleinigkeiten", sagt der Finne, der am Portugal-Wochenende seinen 29. Geburtstag feiert. Latvala signalisiert aber, nicht alles riskieren zu wollen. Im Zweifelsfall begnügt er sich mit einer Podiums-Platzierung, um weiter Punkte zu sammeln.
Höher gesteckt sind die Ziele von Sportchef Jost Capito. Der will in jedem Fall einen Sieg, denn damit könnte VW mit dem bisher einsamen Rekord von Citroën gleichziehen: 2011 gewannen die Franzosen mit Ogier und Loeb von Mexiko bis Deutschland acht WM-Läufe in Folge. VW ist seit dem vergangenen September in Australien in sieben WM-Rallyes ungeschlagen.
Der WM-Lauf in Portugal holte bereits fünf Mal die Trophäe "Bester WM-Lauf des Jahres". FIA-Präsident Jean Todt hätte es lieber gesehen, wenn die Rallye von der Algarve in die Nähe der traditionellen Portugal-Rallye weiter nördlich gezogen wäre. Das weckt im früheren Rallye-Beifahrer nicht nur nostalgische Gefühle, sondern verspricht auch ein deutlich größeres Zuschauer-Aufkommen. Allein beim Fafe-Sprint sollen an die 100.000 gezählt worden sein. Angesichts der klammen Finanzlage und des erheblichen organisatorischen Aufwandes erteilte der Veranstalter der FIA aber zügig eine Absage.
Immerhin gibt es für die Fans mit der Auftaktprüfung am Donnerstagabend vor dem Hironimus-Kloster in Lissabon wieder ein Bonbon. Davor ist der zeremonielle Start samt Autogrammstunde in Estoril angesetzt. Die Rallye Portugal geht über 16 Prüfungen mit 339 Kilometern und endet am Sonntag (6.4.) um 13:25 Uhr mitteleuropäischer Zeit.