Neuer Hamilton-Deal im Sommer?
Das Duell der Generationen mit Max Verstappen verleiht Lewis Hamilton Flügel. Und es scheint sein Verlangen zu steigern, noch ein paar Jahre dranzuhängen. Hamilton möchte die Vertragsgespräche mit Mercedes alsbald starten und sie am liebsten noch vor der Sommerpause abschließen.
Diese Formel-1-Saison wird uns wohl noch eine Weile in Erinnerung bleiben. Das zeichnet sich bereits nach vier von 23 angestrebten Grands Prix ab. Lewis Hamilton./span> gegen Max Verstappen, der Zweikampf der Generationen, König gegen Kronprinz, Routinier gegen Draufgänger – in zwei gleichwertigen Autos. Das allein garantiert einen Schlager. Es kommen weitere Dimensionen hinzu: Der Zwist der Erzfeinde Mercedes und Red Bull. Streit um Ingenieure. Sticheleien wegen der Technik. Die Frage nach dem Absprung für 2022. Und die Frage nach einem neuen Hamilton.Vertrag.
In den ersten vier Rennen gewann Hamilton drei Mal. Der siebenmalige Titelträger spielte dabei die ganze Erfahrung von 270 Grands Prix aus. Und ihm stand das Glück zur Seite, wenn er es braucht. Wie in Imola, als er eigentlich schon draußen war, und doch den Zielstrich als Zweiter kreuzte. Nie ist Hamilton besser in die Saison gestartet. Verstappen auch nicht. Der Herausforderer hat das Talent, um den Superstar zu stürzen. Aber ist er schon reif genug?
Brandherde zwischen den Rivalen
Mercedes-Boss Toto Wolff und Red Bulls Sportchef Helmut Marko schießen gerade in auffälliger Frequenz Giftpfeile hin und her. Red Bull baggert an den Mercedes.Motoreningenieuren für sein neues Projekt eines Antriebs in Eigenregie. Sechs hat man schon abgeworben. Das geht auch nicht an Brixworth spurlos vorbei. Mercedes muss sechs gute Ingenieure ersetzen. Mindestens. Red Bull will noch mehr.
Auf der anderen Seite tadelt der Titelverteidiger das Auto des Herausforderers. Mercedes hat beobachtet, dass sich der Heckflügel am RB16B auf den Geraden ungewöhnlich stark nach hinten biegt. Das senkt den Luftwiderstand und steigert die Höchstgeschwindigkeit. Bis Spanien schwellte der Konflikt im Untergrund. Dann sprach es Hamilton plötzlich öffentlich an.
Red Bulls Teamchef Christian Horner meinte. "Toto war deshalb bei mir schon einmal vorstellig. Jetzt wirkte es auf mich so, als sei Lewis von seiner Mannschaft vorgeschickt worden. Wir bestehen alle Verbiegungstest bei der FIA." Wolff wollte zu diesem Thema am Rennsonntag am liebsten gar nichts sagen.
Was passiert mit Russell?
Es werden noch weitere Themen auf uns zurollen. Zum Beispiel die Vertragsverhandlungen bei Mercedes. Sowohl der Vertrag des Weltmeisters als auch der von Valtteri Bottas laufen nach der Saison aus. Wir sehen jetzt schon die Berichte in Großbritannien vor Augen, die über die Vergütung für den Rekordsieger der Königsklasse spekulieren. Die Corona-Krise wird wieder Einfluss darauf haben, was er für sich einfordern kann, ohne über das Ziel hinauszuschießen.
Bottas haben die Revolver-Blätter schon vor dem vierten Rennwochenende des Jahres angezählt. Sie meldeten, Wolff kokettiere damit, seinen zweiten Fahrer noch unter der Saison gegen George Russell auszutauschen, was umgehend dementiert wurde. Was hätte Mercedes auch davon? Nichts, außer Unruhe.
Und trotzdem dürfte die Personalie noch heiß diskutiert werden. Bottas ist zwar eine zuverlässige Nummer zwei. Doch wie lange kann es sich Wolff noch erlauben, das Riesentalent Russell zu vertrösten und bei Williams zu parken? Eigentlich muss sein Aufstieg im kommenden Jahr erfolgen. Wie gut der junge Engländer ist, führt er der Formel 1 praktisch an jedem Wochenende vor Augen, indem er im Williams zuverlässig ins Q2 vordringt – manchmal sogar an der Schwelle zu Q3 steht. Bei seinem einzigen Auftritt im Mercedes in Bahrain 2020, als Hamilton.Vertreter, bügelte er Bottas. Williams wird so weitsichtig sein, den Markt zu sondieren.
Neuer Vertrag? Hamilton tritt aufs Gas
Die Frage lautet nur, wie Hamilton reagieren würde, wenn ihm der Teamchef Russell an die Seite stellt? Der Routinier kennt das Duell Weltmeister gegen aufstrebenden Youngster. Allerdings bisher nur aus anderer Perspektive. 2007 war er bei McLaren der Super-Rookie, Fernando Alonso der Champion.
Hamilton jedenfalls scheint nicht ans Aufhören zu denken. Im Gegenteil: Der Zweikampf mit Verstappen hat den ohnehin noch großen Hunger auf Erfolg noch größer gemacht. In Spanien wurde der 98-fache GP-Sieger darauf angesprochen, ob es schon Gespräche zwischen ihm und Teamchef Wolff bezüglich einer weiteren Vertragsverlängerung gäbe.
Der Weltmeister nahm es als Anlass, auf das Gaspedal zu treten. "Wir wollen nichts überstürzen, müssen aber vernünftig sein, und mit den Gesprächen beginnen. Vertragsverhandlungen sind nie einfach, immer komplex. Doch wir sollten damit starten, solange es nicht unsere eigentliche Arbeit stört." Das lässt schon aufhorchen. 2020 hörte sich das alles noch ganz anders an.
Klarheit vor der Sommerpause
Den Arbeitsvertrag für die aktuelle Saison hatte der Champion erst im Februar unterzeichnet. Beide Parteien sind sich einig, dass man nicht wieder so lange warten will. "Wir wollen nie mehr in der Situation sein wie im Januar, im Februar. Das hat meinen ganzen Winter ruiniert. Ich bin sicher, es war auch für Toto nicht hilfreich, um abzuschalten. Es fühlte sich für uns beide nicht wie eine Pause an", sagt Hamilton. Sein Chef ergänzt: "Wir sollten es nicht wieder so lange schleifen lassen."
In seinem Kopf hat der siebenmalige Weltmeister bereits einen Zeitplan. "Es sind noch 19 Rennen zu fahren. Es wäre jedoch toll, wenn wir bis zur Sommerpause etwas aufgestellt hätten, damit wir da ein klares Bild von der Zukunft haben." Bis zur Pause sind es noch rund zwölf Wochen. Die Kunst wird darin bestehen, sich nicht ablenken zu lassen. Die Aufgabe auf der Strecke ist schwer genug. Verstappen und Red Bull sind erstmals wirkliche Gegner um die Weltmeisterschaft. Wolff: "Der Kopf ist im Moment auf den WM-Kampf gegen Max und Red Bull getrimmt."
Red Bull ist da in einer komfortableren Situation. Verstappens Arbeitspapier ist bis 2023 festgeschrieben. Und solange der Niederländer ein Auto hat, das auf jeder Rennstrecke auf Augenhöhe mit dem Mercedes kämpft, gibt es wohl keine Option für einen vorzeitigen Ausstieg.
30 Millionen für zwei Fahrer
Am Rande des GP Spanien kam die Szene nicht nur auf einen neuen Hamilton.Vertrag zu sprechen. Sie diskutiert auch über einen künftigen Deckel für Fahrergehälter. Es heißt, dass alle Rennställe im Grundsatz dafür wären. Nach dem Motto: Es gibt eine Obergrenze für die Entwicklung, bald eine für die Motoren, warum nicht dann auch für die Fahrergehälter. Im Raum stehen 30 Millionen Dollar – für beide Piloten im Team zusammen.
Einnahmen, die Fahrer über persönliche Sponsoren beziehen, würden darunter natürlich nicht fallen. Im Prinzip müssten sich bei dieser Summe nur die drei Top-Teams einschränken. Der Fahrerlagerfunk meldet, dass derzeit Hamilton, Verstappen und auch Leclerc (mit Bonuszahlungen) darüber lägen.
Die Gespräche über eine Deckelung der Fahrergehälter sind aber noch in einem Frühstadium. Es müssen viele Grundsatzfragen und noch mehr Details geklärt werden. Zum Beispiel: Sollen die Fahrergehälter mit unter das allgemeine Budget-Cap, das aktuell bei 147,4 Millionen Dollar liegt und in den kommenden zwei Jahren auf 135 Millionen fällt? Wie sollen die Gehaltsströme wasserdicht überwacht werden? Was passiert mit aktuellen Langzeit-Verträgen. "Im Grundsatz sind wir dafür. Aber wir müssen bestehende Verträge respektieren", sagt zum Beispiel Red Bulls Helmut Marko.
Alpha Tauris Teamchef Franz Tost plädiert dafür, die Fahrer unter das aktuelle Budget-Cap zu packen. "Der Fahrer kann einen Unterschied von einer halben Sekunde ausmachen. Das Team muss sich dann entscheiden: Hole ich so einen Fahrer rein, oder entwickele ich lieber das Auto? Ich würde es mit ins Budget-Cap nehmen. Weil ich nur dann eine Gewährleistung habe, das ein Gleichgewicht entsteht. Wenn es außerhalb ist, muss das Team ja nur das Geld auftreiben. In Anführungszeichen. Sonst bleibt ja alles gleich."
Der Fahrer-Vorschlag von McLaren
McLaren stimmt da im Grundsatz zu, macht aber einen anderen Vorschlag. Für die Fahrer sowie die drei topbezahlten Ingenieure soll das Reglement eine Summe X festmachen (die sogenannte "Allowance"), um die das Budget-Cap dann erweitert wird. Jedes Team habe die Wahl, ob man diesen Betrag voll ausschöpft oder lieber als zusätzliches Entwicklungsbudget nutzt. Damit wäre das gewährleistet, was Tost sehen will: Ein Team müsse entscheiden, ob es Geld in Top-Fahrer oder die Technik investiert wird.
McLaren sieht mit seinem Ansatz einen großen Vorteil, weil er Arbeitsplätze im Team schützen soll. Die sieht man bei einer Einbindung in das aktuelle Budget-Cap in Gefahr. Ein Team, das sich von einer auf die nächste Saison vielleicht doch entschließt, einen Star zu verpflichten und dafür das Limit auszureizen, müsste dafür an anderer Stelle einsparen. Weil man das nicht zuerst beim Entwicklungsbudget tue, treffe es Mitarbeiter. Da könnten schnell mal 100 vor die Tür gesetzt werden.
Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Manche im Fahrerlager sprechen davon, dass sie eine Grenze für Fahrergehälter nicht in den nächsten zwei, drei Jahren erwarten. Andere sind noch pessimistischer. Einer verrät uns. "Ich habe den Eindruck, am liebsten würde keiner je einen Knopf dranmachen, und es einfach hinauszögern."