„Das Ziel ist Platz drei“
Ferrari hat seinen Rückstand im Duell mit McLaren im Kampf um Platz drei auf 7,5 Punkte verkürzt, obwohl Charles Leclerc ein Podium verschenkte. Teamleitung und Fahrer machen für die starke Leistung auch das neue Hybridsystem verantwortlich.
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto verfolgte den GP Türkei von seinem Büro in Maranello aus. Er sah, wie seine Fahrer 16 Punkte für die Plätze vier und acht auf das Konto der Scuderia schaufelten, während WM-Gegner McLaren nur mit sechs Zählern nach Hause fuhr. Das verkürzt den Abstand der beiden ältesten Teams der Formel 1 auf 7,5 Punkte. Dieser Zweikampf ist fast so spannend wie das Titelrennen zwischen Mercedes und Red Bull.
Binotto hielt sich nicht lange mit diplomatischen Floskeln auf: "Ich sage es ganz klar. Der dritte Platz ist unser Ziel." Er hätte sich auch damit begnügen können, dass er mit dem Fortschritt, der im Vergleich zum Vorjahr erzielt wurde, bereits zufrieden ist. Unabhängig von der Position. Doch dieser dritte Platz hat mehr als Symbolwert. "Er lehrt das Team, unter dem Druck eines klar definierten Ziels zu arbeiten." Wichtig, wenn man 2022 wieder um Siege mitfahren will.
Red Bull im Visier
Der Istanbul Park ist sicher eine Strecke, die besser in das Anforderungsprofil des Ferrari SF21 passt als Monza oder Sotschi. Doch Ferrari machte nicht nur eine bessere Figur als McLaren. Charles Leclerc verlor in der Qualifikation nur 0,069 Sekunden auf Max Verstappen, und er hatte den neuen WM-Spitzenreiter bis zur 36. Runde im Visier. "Das ist eine klare Steigerung zu den letzten Rennen", jubelte der Monegasse.
Binotto und seine Fahrer gaben nicht nur der Strecke die Schuld dafür, dass es so gut lief. Auch das neue Hybrid-System half mit. Ferrari lässt sich aber nicht genau über die Vorzüge des neuen Power Pakets aus, das in Sotschi mit Leclerc Premiere feierte und seit Istanbul nun auch im Auto von Carlos Sainz für Vortrieb sorgt.
Trotzdem traute sich der Teamchef zu sagen: "Unser wichtigstes Ziel bei der Einführung in diesen Jahr lag darin, Erfahrung für nächstes Jahr zu sammeln. Es bringt aber auch Vorteile, die wir nicht in Rundenzeit quantifizieren können. Es hilft uns im Zweikampf. Mit dem alten System wären wir wahrscheinlich zwei Plätze weiter hinten gelandet."
Sainz war jedenfalls froh, dass er die Motorstrafe in der Türkei abgesessen hat, obwohl er von einem besseren Startplatz aus auf das Podium hätte fahren können. "Es war das perfekte Rennen für die Strafe. Je früher wir das Upgrade bringen, desto länger können wir davon profitieren. Es wird uns auf den McLaren-Strecken näher an sie heranbringen und unseren Vorsprung auf den Ferrari-Strecken vergrößern. Der neue Antrieb hat definitiv einen Anteil an meiner Aufholjagd."
Man kann anhand der Aussagen nur spekulieren, wo die Vorzüge liegen. Mehr Elektro-Power in der Beschleunigungsphase, ein längerer Atem über die Runde. Die Konkurrenten haben festgestellt, dass der Ferrari auf den Geraden später in den Ladebetrieb geht als die Gegner. Die Scuderia-Renner zählten in Istanbul zu den schnellsten Autos auf den Geraden.
Leclerc wartet zu lange
Nach neun Führungsrunden von Leclerc ist die Frage erlaubt, ob der WM-Siebte nicht einen Podestplatz verschenkt hat. Nur Lewis Hamilton wartete mit seinem Boxenstopp noch länger. Runde 47 von Leclerc war definitiv zu spät. Der Fahrer wollte seine Führung nicht aufgeben.
"Das Team hat mich immer über die Rundenzeiten von Bottas informiert, nachdem der frische Reifen aufgezogen hatte. Die ersten fünf bis sechs Runden war ich mit den alten Intermediates noch so schnell wie er auf den frischen."
Binotto verteidigt seinen Piloten: "Wir wussten von den Reifen von Carlos, wie viel Gummi noch auf der Lauffläche war. Und wir hatten Grund zur Annahme, dass Charles es über die Renndistanz geschafft hätte. Uns hat am Ende der Speed gekillt, weil die Strecke immer weiter abtrocknete."
Leclerc bestätigt: "Als unsere Gegner durch die Phase des Körnens durch waren, haben wir zu viel Zeit verloren. Ich musste nach meinem Boxenstopp durch diese Phase noch durch." Hätte Ferrari auf die Boxenstopps der Red Bull.Piloten in den Runden 36 und 37 reagiert, wäre Leclerc wenigstens noch Dritter geworden.
Auch für Carlos Sainz lief trotz einer makellosen Aufholjagd nicht alles nach Plan. Beim Boxenstopp stand der Spanier 8,1 Sekunden. Das hat ihm im Rückblick zwei Positionen gekostet. Der langsame Stopp warf ihn wieder hinter Esteban Ocon, hinter dem er ewig hängenblieb.
Binotto erklärte die Panne so: "Der Boxenstopp selbst lag im üblichen Rahmen. Aber das Signal von einem Schlagschrauber kam nicht im System an. Deshalb gab es keine Freigabe. Wir müssen untersuchen, warum das so war."
Sainz hielt sich nicht lange mit dem einzigen Misston in einem ansonsten blitzsauberen Rennen auf: "Heute ist kein Tag irgendetwas zu bedauern. Ich hatte einen guten Speed, habe gut überholt und den Schaden des Starts aus der letzten Reihe minimiert."