Alcantara gewinnt vor Gericht
Im Streit der Mikrofaser-Hersteller gewinnt Alcantara vor Gericht gegen Dinamica. Jetzt muss der unterlegene Anbieter zahlen und aktiv werden.
Dass ein Sitzbezug vor Gericht ziehen kann, war Ihnen neu? So jedenfalls klingt es zunächst, wenn man liest, dass "Alcantara einen Prozess gewinnt". Kurz zur Klarstellung: Alcantara ist kein Material, sondern eine Marke mit Sitz in Italien. Das Produkt ist ein Mikrofaser-Stoff, der gerne in hochwertigen und sportlichen Autos als Innenausstattung Verwendung findet. Damit steht Alcantara aber nicht alleine da, denn dieser lukrative Markt ist auch für diverse Konkurrenten interessant. Ein weiterer prominenter Vertreter ist die ebenfalls italienische Firma Miko, deren Mikrofaser-Stoff den Markennamen Dinamica trägt. Und genau diese beiden standen sich nun vor Gericht gegenüber.
Entschädigung und Richtigstellung
Streitgegenstand war eine Dinamica-Kampagne, in der das Material von Miko als die einzige über den gesamten Produktionsprozess nachhaltige Option dargestellt wurde. Damit waren die Marketing-Verantwortlichen so erfolgreich, dass sogar vereinzelte PR-Abteilungen von Automobilherstellern gegenüber der Fachpresse äußerten, Alcantara habe ein Nachhaltigkeitsproblem und werde wohl sich wohl aus dem Automobilsektor zurückziehen. Dem ist allerdings nicht so, wie das Tribunale Ordinario di Gorizia, Sezione Unica Civile in Italien jetzt befunden hat. Der Kampagne fehle es an Substanz, zudem habe man so Alcantara unrechtmäßig in die Defensive gedrängt. Hersteller Miko muss nun laut dem ergangenen Urteil nicht nur eine Entschädigung zahlen, sondern auch die Kampagne stoppen und für eine Richtigstellung in italienischen und internationalen Medien sorgen.
Auch wenn das Mikrofaser-Business mit Blick auf diesen Streit sehr italienisch anmutet, stammt die ursprüngliche Produktidee aus Japan. Ihr Erfinder ist Miyoshi Okamoto, ein Mitarbeiter von Toray Industries. Sein Ziel war es, ein Textil herzustellen, dass aufgrund seiner Eigenschaften als adäquater Ersatz für Leder dienen kann. Seit 1974 wird der Stoff lizenziert im Werk von Alcantara im italienischen Terni produziert. Dafür werden zwei Grundkomponenten miteinander vermischt und unter hohem Druck zu extrem dünnen Fäden gepresst. Weil die Herstellung aufwendig und zeitintensiv ist, bietet das Mikofaser-Textil preislich keinen Vorteil zu konventionellem Leder, weist wegen der industriellen Produktion aber eine höhere Gleichmäßigkeit und weniger Verschnitt bei der Verarbeitung auf. Auf die Marke Alcantara setzte übrigens kein Hersteller intensiver als Lancia, die zwischen 1980 und 2010 jedes Modell mit einer entsprechenden Ausstattung angeboten hatten. Auch bei Tunern erfreuen sich die Mikrofaserstoffe großer Beliebtheit, weil sie nahezu unbegrenzte Möglichkeiten bei der Farbgebung zulassen und bedingt durch ihre Elastizität faltenfrei auf unterschiedliche Grundformen gespannt werden können. Einige Verwendungsbeispiele finden Sie in unserer Fotoshow.