Weiterentwicklung der Produktklassiker

Muss es jetzt ein neues Antriebskonzept sein, am besten unter einer neuen Marke vertrieben? Wie entwickeln sich die Produktklassiker weiter? Die Gegenüberstellung bringt erste Erkenntnisse.
Der Autofan an sich verfällt ja eher mal in Melancholie als in Euphorie, beweint lieber das Verschwinden alter Marken, als das Auftauchen neuer zu bejubeln. Weil ja die meisten neuen Marken eh nur als Splittergruppe bekannter Konzerne gelten. Als ob Austin, MG, Mini, Triumph und wie sie alle hießen nicht schon in den späten 60er-Jahren unter einem Dach zusammengeführt worden wären. Egal, Öl von gestern. Altöl sozusagen.
Besser zu früh als nie
Heute glauben die Konzerne, speziell Fahrzeuge mit Elektroantrieb unter Submarken anbieten zu müssen. Weil: Tesla. Ein völliger Neuling in der Branche, der selbige umkrempelte, von den Kunden religiös verehrt. BMW probierte es 2010 mit einem ähnlichen Ansatz, gründete die Tochtermarke BMW i, unter der 2013 der vollelektrische Kleinwagen i3 und der Plug-in-Hybrid-Sportwagen i8 starteten – und ging damit baden. Nach einigen Jahren der Schockstarre geht es nun 2021 weiter. Wobei: eigentlich schon 2020, denn dann startet der iX3, dessen Batterie mit über 70 kWh Kapazität eine Reichweite von mehr als 400 Kilometern ermöglichen soll.
Danach kommt dann eben der SUV i5, der aus der Studie iNext hervorgeht, als eigenständiges i-Modell. Die Traditionalisten will BMW aber mit der Serienversion des i Vision Dynamics bekehren, die sozusagen die Idee des 4er Gran Coupés in die Elektromobilität übersetzt – und im Konzept eben dem Tesla Model 3 ähnelt. Der BMW heißt voraussichtlich i4, startet mit einem Elektromotor an der Hinterachse und rund 300 PS Leistung. Die Variante mit zusätzlichem E-Motor kommt auf über 500 PS, verteilt die Leistung auf alle vier Räder. Die Reichweite? Über 600 Kilometer aufgrund weiter optimierter Batteriezellen. Wie alle zukünftigen i-Modelle bekommt der i4 keine spezifische Architektur. In diesem Fall kommt die sogenannte Cluster Architecture (CLAR) zum Einsatz, wie sie die meisten BMW mit Hinterradantrieb nutzen.
So eben auch das 4er Gran Coupé, das sich ausschließlich konventioneller Antriebe bedient und daher der Reichweiten-König bleibt – wenn man das denn unbedingt braucht. Allerdings verfügen einige Motorisierungen wie beispielsweise der 430d über ein 48-Volt-Bordnetz mit integriertem Startergenerator (ISG), der rund 20 kW und mehr als 100 Nm zusätzlich generiert – bei bis zu zehn Prozent niedrigerem Verbrauch.
Noch effizienter? Klar!
Bis zu 17 Prozent Emissionen im Vergleich zum Vorgänger sollen die optimierten TSI- und TDI-Triebwerke des neuen Golf einsparen. Dabei hilft auch Elektrifizierung auf 48-Volt-Basis, übrigens schon beim Dreizylinder-Benziner mit 110 PS, der dann serienmäßig mit einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ausgerüstet ist. Weitere Mildhybride: TSI mit 130 und 150 PS. Alle drei sind aus Kostengründen auch weiterhin ohne Zusatzkomponenten erhältlich.
Ebenfalls neu: Den Plug-in-Hybrid GTE gibt es künftig entweder mit 204 oder 245 PS. Und sonst? Kann der Golf unter anderem mit einer vorausschauenden Geschwindigkeitsregelung und sogenannter Car-to-X-Kommunikation bestellt werden (Letztere hilft aber nur, wenn andere Verkehrsteilnehmer die gleiche Funktionalität nutzen) – viel mehr bietet der ID.3 auch nicht.
Den Elektro-Kompaktwagen, das erste Modell des ID-Labels, zeichnet hingegen ein besonders üppiges Innenraumangebot aus, da er auf einer elektrospezifischen Architektur (MEB) aufbaut, die nur wenig Platz in Bug und Heck für die Motoren, aber viel Platz für die Batterien im Fahrzeugboden vorsieht. Der Effekt: Der ID.3 baut ähnlich hoch wie ein Golf Sportsvan. Der kleinste Akku verfügt über eine Kapazität von 45 kWh (330 Kilometer Reichweite nach WLTP), der nächstgrößere 58 kWh (420 km), der größte 77 kWh (550 km).
Skalier mit mir
Während der ID.3 ausschließlich mit einem bis zu 204 PS starken E-Motor an der Hinterachse lieferbar sein wird, setzt Audi noch einen drauf. Leitet sich der große e-tron noch von den konventionellen SUV der Marke ab, nutzt der kleinere Audi Q4 e-tron nun den Modularen Elektrifizierungsbaukasten des Volkswagen-Konzerns.
Der ist, ausgehend vom ID.3, in der Größe nach oben skalierbar und erlaubt auch den Einsatz von zwei Motoren. So lässt sich der für Audi typische Allradantrieb realisieren. Die Leistung liegt dann bei 306 PS. Das Innenraumangebot entspricht in etwa dem des Audi Q5, der im nächsten Jahr überarbeitet wird.
Davon profitiert vor allem das Cockpit, das dem aktuellen Stil des Hauses mit zwei berührungsempfindlichen Monitoren zwischen Fahrer und Beifahrer folgt. Eine Plug-in-Hybrid-Variante mit 367 PS Systemleistung und laut Hersteller bis zu 40 Kilometern elektrischer Reichweite ist bereits jetzt bestellbar, die übrigen Verbrenner trimmen die Entwickler auf bessere Effizienz. Die Mildhybridtechnik, die beispielsweise das Abschalten des Verbrenners in Rollphasen ermöglicht, ist zum Teil allerdings heute schon Standard. Und die Kosten? Da dürften sich Audi Q5 55 TFSI e-quattro und Audi Q4 e-tron nicht zu sehr unterscheiden, denn der PHEV startet bei 60.450 Euro.
Ford ist dagegen noch nicht ganz so weit, zeigt noch in diesem Jahr einen Elektro-Crossover, der gegen den großen e-tron, Mercedes EQC und Jaguar I-Pace antritt. Und ja, irgendwie wohl auch gegen Teslas Model X, obwohl das deutlich wuchtiger auftritt als der Ford, der sich einiger Stilelemente des Sportwagens Mustang bedient. Allein wegen der charakteristischen langen Motorhaube lässt das keine besonders brillante Raumökonomie erwarten.
Dafür soll der allradgetriebene Ford sportwagenmäßige Fahrleistungen bieten, zugleich aber auch mit einer Akkuladung 600 Kilometer weit kommen. Deutlich weniger brachial tritt der Nachfolger des Ford Mondeo an, da das Leistungsspekturm seiner Motorisierungen bei 300 PS endet. Dafür werden die Benziner elektrifiziert, also mit Mildhybridtechnik ausgestattet, was speziell den in dieser Klasse relevanten Aggregaten mit 150 und 180 PS Leistung eine deutlich bessere Effizienz bringt.
Revolution – oder nicht?
Deutlich revolutionärer: die Karosserieform. Schluss mit Kombi und Fließheck-Limousine, stattdessen: Crossover. Volvo sieht das anders, bringt unter der Tochtermarke Polestar einen Viertürer mit großer Heckklappe und E-Antrieb. Zunächst ist der 4,60 Meter lange Polestar 2 nur mit zwei E-Motoren erhältlich, die zusammen 408 PS und 660 Nm entwickeln. Der nur minimal günstigere 4,76 Meter lange Volvo V60 T6 Twin Engine fährt dagegen nur einen Plug-in-Antrieb mit einer Systemleistung von 340 PS auf.
Ist denn die Leistung entscheidend? Nun, noch starten die E-Autos mit derart starken Antrieben, auch um den Gewichtsnachteil von bis zu 500 Kilogramm zu kompensieren (wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel). Bei Porsche fällt die Gewichtsdifferenz mit 310 Kilogramm zugunsten des Panamera Turbo ziemlich heftig aus. Dennoch bietet der Taycan Turbo die besseren Fahrleistungen – zum etwas günstigeren Preis. Die Reichweite liegt bei bis zu 450 Kilometern (WLTP), im Idealfall lässt sich der 93,4-kWh-Akku innerhalb von 22,5 Minuten von 5 auf 80 Prozent laden. Was da noch für den Panamera spricht? Eben das geringere Gewicht und dass sein Einsatzradius größer ist – zumindest mit den zwei weiteren Plug-in-Hybrid-Varianten, die Porsche im Rahmen der Modellpflege 2020 zusätzlich zu den bekannten anbieten will.
Im automobilen Diesseits
Etwas mehr im automobilen Diesseits: Der elektrische Mercedes GLB, der ab drittem Quartal 2020 das Angebot der EQ-Marke ergänzt. Der EQB nutzt die Energie eines 60-kWh-Akkus (Gewicht: über 600 Kilogramm), bis über 80 kWh sind möglich. Den Antrieb übernimmt in der Basis ein 204 PS starkes E-Aggregat, 272- und 340- PS-Varianten sollen folgen.
Der GLB hält mit einem der aktuell saubersten Dieseltriebwerke dagegen. Im GLB 220 d leistet es 194 PS und 400 Nm. Die Abgase werden durch zwei SCR-Kats gereinigt, einer davon samt AdBlue-Einspritzung ist motornah angebracht, um schnell die optimale Arbeitstemperatur zu erreichen. Das Ergebnis: 5,5 Liter/100 Kilometer Verbrauch (Werksangabe) und die derzeit beste Abgasnorm Euro 6d. Und: Er ist schon heute Realität.
Unabhängig von neuen oder alten Marken darf der Autofan an sich ob der Technikvielfalt also gerne in Euphorie verfallen.