Deutsch-Französischer VW-T6.1-Campervan

Fünf Sitzplätze – das klingt nach Familiencamper! Nur: Beim genauen Hinsehen kommt man auf ganz andere Zielgruppen wie solvente Paare oder Alleinreisende. Also aufgemerkt, wer sich angesprochen fühlt.
Westfalias Leistung im Tetris-Spiel ist enorm: In diesem VW Bus hat der Hersteller so viele Möbel untergebracht, wie anderswo deutlich größere Basisfahrzeuge ausfüllen. Und zwar Westfalia aus Frankreich. Frankreich? Oui, bien sur!
Als Westfalia nach wechselvollen Jahren 2010 von der Rapido-Gruppe übernommen wurde, tauchten wenig später plötzlich Modelle auf, die zwar das altbekannte Markenlogo trugen, aber auf hierzulande seltene, gar geheimnisvolle Grundrisse setzten. Das war eine Zäsur. Die Westfalen waren es schließlich, die 1962 als Allererste einen VW Bus mit Möbeln ausstatteten – und nun rollten ab Mitte der Zehnerjahre Westfalia-Bullis im französischen Benet vom Band. Mon dieu! Welch Frevel für den Fan der Windrosen-Marke und des Made in Germany.
VW-Bus made in France
In der deutschen Westfalia-Zentrale in Gotha, wo seit einigen Jahren die eigenen Camper entstehen, setzt man stark auf ausgebaute Fiat Ducato und zuletzt auch wieder den Mercedes Sprinter, mit dem der legendäre Namen James Cook wiederbelebt wurde. Der VW Bus findet als Club Joker und Club Joker City zwar ebenfalls statt im Programm, doch beide Modelle sind eher Nischenprodukte, die an die Erfolge früherer Tage nicht anknüpfen können. Im Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück entstehen vor allem der Marco Polo im Auftrag für Mercedes und der Nugget für Ford – beide in hohen Stückzahlen.
Die Franzosen entwickelten parallel eigene Grundrisse für VW Bus und Mercedes V-Klassen, die eher auf den eigenen Markt ausgerichtet sind. Die Gene des Joker und späteren California, die bis Ende der T4-Ära bei Westfalia entstanden, sind nur noch sporadisch zu finden.
Grundriss: Viel Wohnraum, wenig Stauraum
So erinnert der Kepler-Five-Grundriss witzigerweise auch nicht an die VW-Historie, sondern an den Ford Nugget. Es ist hier tatsächlich gelungen, eine Dreiersitzbank in den T6.1 zu setzen, an der man seitlich vorbei ins Heck spazieren kann – wie im Nugget eben. Und auch wie dort sitzt die Küche hinten, allerdings seitlich rechts und nicht quer hinter der Sitzbank. Um in der Küche arbeiten zu können, muss das Dach auch hier hochgeklappt sein, sonst ist eine ungesund gebückte Haltung nötig.
Im Grundrissklassiker mit langer Küchenmöbelzeile links kocht man gewöhnlich im Sitzen, was auch bei zugeklapptem Dach funktioniert. Aber in Frankreich am Atlantik scheint ja meist die Sonne, daher kann das Dach hoch und die Küche nach hinten – im Nugget gibt es alternativ das Hochdach. Gegenüber der Kochstelle sind noch ein Schrank und ein Kompressorkühlschrank auf Griffhöhe. Da kann der Rücken entspannen, denn die Küchenarbeitsplatte ist etwas niedrig eingebaut für durchschnittlich große Personen.
Spätestens an dieser Stelle sollten sich Kepler-Five-Interessenten ihre typische Urlaubssituation in diesem Modell mal vorstellen. Beim oben beschriebenen VW-Bus-Grundrissklassiker ist da, wo hier die Küche ist, der Stauraum hinter der Sitzbank und nachts unter dem ausgeklappten Bett. Nehmen wir mal an, dass die Kepler-Besatzung zwei Campingstühle, einen Tisch, vielleicht ein kleines Vorzelt und, sagen wir mal, Tennisschläger dabeihat. Von einem Grill ganz zu schweigen oder einem Schlauchboot oder aufblasbaren Flamingo. Wo soll das alles hier unterkommen?
Der Joker/California-Grundriss ist und bleibt der Kompromiss der Kompromisse. Bei eigentlich allen Alternativen kippt das Gleichgewicht aus Wohnen, Schlafen, Kochen und Verstauen in eine Richtung. Und beim Kepler-Five-Grundriss kippt das Thema Stauraum weg. Außer ein, zwei Handtüchern, drei Unterhosen, ein paar Töpfen und zwei Flaschen Calvados passt nicht viel rein. Auch unter der Sitzbank bleibt kein Platz, denn hier sitzt der Frischwassertank mit 64 Liter Fassungsvermögen.
Wie bei Kepler: VW T6.1 für Entdecker
Johannes Kepler, der Namensgeber, stammt übrigens aus Weil der Stadt, das noch zum Regierungsbezirk Stuttgart gehört. Wie alle Namen von Westfalia-Campern war auch er ein Entdecker. Aber kein James Cook und kein Kolumbus und auch kein Typ wie Amundsen. Er schaute nach oben in den Himmel und fragte sich, warum die beobachteten Planeten keiner sauberen Kreisbahn folgten. Er beschrieb die Planetenbahnen in den drei Keplerschen Gesetzen. Und vielleicht ist ja jeder der drei Gurtsitze der Rücksitzbank einem davon gewidmet?
Auf jeden Fall war der Kepler auch ziemlich viel unterwegs. Und im Unterwegssein liegt die Stärke eines ausgebauten VW Busses – auch des Kepler. Fünf Meter Länge und unter zwei Meter Höhe macht das Reisen schnell, flexibel, Einschränkungen gibt es wenige. Beim Nachdenken darüber, für wen so ein Kepler Five gut passen könnte, kommt man auf drei Zielgruppen: erstens Familien, für die der Kepler vor allem ein Alltagstransporter ist. Um zwei, drei, vier Kinder in der Gegend herumzufahren. Beim Camping muss man dann gewisse Abstriche machen und am besten hängt man sich einen Anhänger für die oben genannten Reiseutensilien dran.
Zweitens für Alleinreisende. Und für die wird es wirklich spannend. Denn so einen Wohnraum zu haben in so einem Ausbau, ist viel wert. Das Gefühl einer Zweizimmerwohnung kommt schon gut. Wenn es zu kalt ist oder man mitten in der Stadt nächtigen möchte, kann man unten schlafen – sonst oben. Das Dachbett ist dafür dank der Federelemente gut geeignet, es ist keine Notlösung und unten ist das 1,10 Meter breite Bett schnell aufgebaut und für eine Person prima.
Und drittens fallen einem noch Paare ein, die den VW Bus und seine Größe schätzen, die Vorteile des kompakten Vans kennen und wollen. Die ganz reduziert mit Kamera, Tablet und dem Nötigsten an Klamotten durch die Lande streifen. Irgendwie eine romantische, eine erstrebenswerte Vorstellung. Mit dem Bulli durch die Welt! Der Traum des solventen Alt-Hippies? Zumindest als Klischee ein mögliches Bild, wie es aussehen könnte.
Auch im Daimler denkbar?
Die Namensgebung geht so bei Westfalia France: Jules Verne heißt der Ausbau auf V-Klasse von Mercedes, Kepler heißen die Grundrisse auf VW, genauer Kepler One, Five und Six, und dann gibt es noch den sehr interessanten Kelsey auf Ford Transit Custom, dessen Fahrverhalten zwischen V-Klasse und T6.1 angesiedelt ist. Der vor allem aber durch seine größere Breite Vorteile mitbringt und sich als Basisfahrzeug in mehreren Tests bereits gut bewährte.
Beim Daimler sitzt man tiefer unten, integriert im Fahrzeug, manche mögen das. VW-Fans würden um nichts in der Welt auf die Bulli-Fahrerposition verzichten wollen. Hoch, mit Übersicht, halb auf der Vorderachse. Emotional kann da eher noch der Ford ein wenig mithalten.
Preis-Leistungs-Verhältnis
In unserem Testfahrzeug sind fette Ledersitze drin, mit Windrose bestickt. Und ein schickes Armaturenbrett. Wobei wir bei der Aufpreissituation für die VW-Basis gelandet sind. Die Möglichkeiten, einen T6.1 auszustatten, gehen gegen unendlich. Das ist auch keine böse Absicht von VW, um den Laden mal ein bisschen in Schutz zu nehmen, sind ja auch schwierige Zeiten für die Diessianer. Von Winterkorn verraten und von der CIA gejagt, wird bei jedem Mist auf sie eingedroschen. Dabei wird vergessen, wie viele Menschen da arbeiten und wie gern sie das tun.
Zurück zum Basisfahrzeug: ein "T" ist ein Baustellenfahrzeug und ein VIP-Shuttle, sagen wir mal für Shirin David vorm Konzert, oder eben ein Camper. Und der Zweiliter-Vierzylinder kann 90 PS oder fast 200 an die Vorderachse drücken. Oder an beide Achsen mit Allrad für zirka 4.500 Euro. Er kommt wahlweise als Schalter oder mit Doppelkupplungsgetriebe, mit analogen oder digitalen Armaturen sowie ein bis zwei Händen voll Assistenzsystemen wie etwa einem cleveren Abstandsregeltempomaten.
Ein paar Gedanken zum Preis und zum Preis-Leistungs-Verhältnis. Am Ende kostet der Kepler schnell deutlich über 60.000 oder auch 70.000 Euro. In vielen Bereichen ist der Ausbau hochwertig. Beim Dach und den beiden Betten, also auch der Schlafbank unten. Bei den Innenverkleidungen aus Kunststoff, die sich gut anschmiegen. Der Möbelbau ist allerdings eher Mittelklasse. Bei Material und Beschlägen, Verschlüssen und Verschraubungen ist noch Luft nach oben. Schaut man sich alte, noch bei Westfalia ausgebaute T4-California an – da schnappen die Verschlüsse nach 20 Jahren noch besser als hier.
Das klingt sicher etwas hart. Aber der Kepler Five ist ein Westfalia, und ob Made in France oder Germany, sollte egal sein. Der Name steht für Qualität. Und es wäre doch schön, wenn das so bliebe, ganz im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft.
Das fiel uns auf
(+) Das aufgestellte Bett ist zweifach geknickt, so ist bis vorn eine gute Stehhöhe vorhanden. (+) Ein solides Netz verhindert Abstürze aus dem Dachbett durch die Zustiegsöffnung nach unten.
(+)/(-) Rollolösungen sind zwar schnell angebracht, aber an den Rändern meist nicht lichtdicht.
(-) Irgendwo muss der Wassertank hin – aber die Sitztruhe würde man lieber als Stauraum nutzen. (-) Die Stauraumkiste war im Testwagen lediglich mit einem kurzen Klettband befestigt. Das hält nicht.
Daten und Preise
Basisfahrzeug: VW T6.1, Transporter, Vorderradantrieb, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 1.970 cm3, Leistung 110 kW/150 PS bei 3.250/min, Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe. Maße: Länge x Breite x Höhe 4.904 x 1.904 x 1.995 mm, Radstand 3.000 mmZulässiges Gesamtgewicht: 3.190 kg
Aufbau: Stahlblechkarosserie mit GfK-Aufstelldach, Innenverkleidung Kunststoffteile, 3 Einscheiben-Glasfenster, keine Dachhauben, 2 Gaze-, 1 Folienfenster im Aufstelldachbalg. Ausbau: Möbel aus Sperrholz, Gurte/Schlafplätze: 5/4, Sitzbank mit 3 Dreipunktgurten, 2 x Isofix, Dachbett 1.900 x 1.200 mm, umgebaute Sitzbank 1.870 x 1.100 mm, Küche mit Zweiflamm-Gaskocher, Kompressorkühlschrank 51 L. Bordtechnik: Diesel-Gebläseheizung Webasto Thermo Connect, 1 Ausströmer (unter Beifahrersitz), Wasseranlage: Frischwasserschläuche, Abwasserschläuche, Tauchpumpe, Außendusche, Frischwasser 64 L, Abwasser 36 L, Gasflasche 1 x 2,75 kg.
Preise: Auf der Hersteller-Homepage gibt es zum Redaktionsschluss keine Preise für 2022. Man verweist auf die Händler. Wir geben Zirka-Preise an, die auf 2021 basieren: Der Kepler 5 mit 90 PS startet ab etwa 55.000 Euro, mit 150 PS und DSG-Automatik ab zirka 65.000 Euro. Optionen Aufbau: 2. Aufbaubatterie AGM 100 Ah 350 Euro, WC-Box mit Porta Potti 500 Euro, 230-Grad-Öffnung im Zeltwandstoff 260 Euro, Webasto Thermo Connect 350 Euro. Marktpreise: Auf caraworld.de 68.000 und 83.000 Euro. Testwagen stammt von Reisemobile Scholz, Erlangen.Wertung
Betten: 4 von 5 PunktenSitzgruppe: 4 von 5 PunktenKüche: 3 von 5 PunktenMöbelbau: 2,5 von 5 Punkten