Audi RS 6 Avant, BMW M5 Touring als Gebrauchte
Zwei bayerische Renn-Kombis mit über 500 PS und zehn Zylindern im Gebrauchtwagen-Check: Gibt es klare Empfehlungen oder reden wir hier von einer Risikoentscheidung?
Gimme more: mehr Hubraum, Laderaum, Leistung, Zylinder. Mehr von allem, schön wär's. Geht aber auf Dauer selten gut und erzeugt oft ein Völlegefühl. Das wissen wir noch von den letzten Festtagen. Alle Jahre wieder. Denn am Ende zählt nur der Blick auf die Waage, egal ob bei Mensch oder Maschine.
Gebrauchte Power-Kombis mit rund 2 Tonnen Gewicht
Genau bei diesem Punkt zeigen die Power-Kombis wie der Audi RS 6 Avant und BMW M5 Touring ihre offene Flanke. Rückblick auf sport auto-Heft 4/2008: Der BMW brachte vollgetankt 1.972 Kilogramm auf die Waage. Sehr massig, aber es ging noch heftiger: Mit 2.112 kg drang der Audi locker in SUV-Regionen vor.
Viel Leistung, viel Gewicht: Das führt zwangsläufig auch zu hohen Rechnungen an der Tanke. Will man unter der 20-Liter-Schwelle bleiben, muss man die dicken Zehnzylinder schon im Cruising-Modus betreiben. Dafür sind die aktuellen Tarife für gebrauchte Audi RS 6 oder BMW M5 auf Corsa- und Golf-Niveau abgesackt.
Mit ein wenig Glück lässt sich ein M5 E60 für rund 15.000 Euro schießen. Soll es ein seltener Touring (E61) sein, werden rund zehn Scheine mehr fällig. Michael Keller, Geschäftsführer des Sportwagenhändlers VOS in Neckarwestheim: „Der seltene M5 Kombi ist wertstabiler als die Limousine. Auch die Nachfrage zieht an.“
Hohe Leistung, großer Kofferraum
Sein weißer BMW M5 Touring stammt von 2008, hat knapp 150.000 Kilometer runter und soll 28.800 Euro kosten. Der Blick zu Audi. Start bei 23.000 Euro für den RS 6 Avant, das seltene Stufenheck liegt um rund 10.000 Euro darüber. Besitzer Heiko Unrath: „Ich habe meinen RS 6 Avant seit zwei Monaten inseriert. Bisher kamen einige Tauschangebote, auffallend viele Nissan GT-R waren dabei. Oder eben unseriöse Angebote um die 30 000 Euro!“ Da muss der Sportwagen-Fan noch etwas Geduld haben, denn Unrath stellt sich 42.000 Euro für seinen Ende 2009 zugelassenen Kombi mit 100.000 Kilometern vor.
Stichwort Kombi: Bei unseren Kandidaten lohnt vorab ein Blick in den Laderaum. Schließlich eröffnen die beiden bajuwarischen Renn-Transporter ungeahnte Lademöglichkeiten. Wer erst die kritische Ehefrau überzeugen muss, sollte die Motorhaube geschlossen lassen. Sie muss ja nichts von den satten PS-Zahlen mitbekommen. Also besser hinten anfangen, die Kofferraumklappe öffnen und argumentieren. Die üppigen Gepäckabteile sollten für zufriedene Gesichter sorgen: Ob Kinderwagen, Deko-Kram, Skier, Bierkisten, Modellflugzeuge, Reisetrolleys oder Fatbikes, hier passt allerhand hinein.
Mit 565 bis 1.660 Litern Volumen liegt der Audi knapp über dem BMW (500 bis 1.650 Liter), dafür macht dieser den Alltag mit der separat zu öffnenden Heckklappe leichter. Beide Gebrauchte fallen übrigens schon negativ mit gammelnden beziehungsweise schwächelnden Dämpfern an den Heckklappen auf. In jedem Fall tut man gut daran, ein paar Euro beim Baumarkt für Spanngurte zu investieren, damit die kostbare Ladung nicht zu Bruch geht.
Gebrauchter Audi RS 6 Avant (C6) in 4,5 Sekunden auf 100 km/h
Denn in den Tiefen ihrer Chassis sind beide Kombis natürlich unheimlich scharfe Projektile, die auch zwölf respektive neun Jahre nach ihrer Vorstellung mit purer Performance locken. Rein auf Fahrleistungen beschränkt, geht der Audi RS 6 Avant gegenüber dem BMW in Führung: 4,5 statt 5,1 Sekunden für den Spurt auf Tempo 100 sowie fast durchweg bessere Elastizitätswerte sprechen eine klare Sprache. Die bereits ab 1.500 Umdrehungen parat stehenden 650 Newtonmeter kaschieren den Gewichtsnachteil bestens. Und dank Quattro geht kaum ein PS in Form weißer Rauchschwaden verlustig. Dafür können Hobby-Drifter an Bord des BMW M5 Touring die schöneren Powerslides zelebrieren.
Auch auf der Bremse behauptete der Audi seinerzeit die Führung. Die besseren Verzögerungswerte lagen wohl an der üppig dimensionierten Keramikbremse des Testwagens, die Audi als 8.200 Euro teure Option anbot. Hier konnte oder wollte BMW nicht mitziehen.
Wer einen RS 6 mit Keramikbremse sucht, stellt fest: Rund zehn Prozent aller angebotenen Fahrzeuge sind aktuell damit ausgerüstet. Auf dem Kleinen Kurs Hockenheim war der RS 6 Avant mit einer Rundenzeit von 1.15,7 Minuten etwas schneller als der M5 Touring (1.16,5 min).
M5 Touring E61 echt oldschool
Unnachahmlich die Wucht, die Audis Biturbo-V10 bei rund 2.500 Umdrehungen entfacht. Sie lässt den RS 6 wie eine Apollo-Rakete nach vorn schießen. Egal welcher Gang drin ist: Plumpes Gasgeben reicht, und die Post geht so was von ab. Seine Domäne: lange Autobahnetappen mit wenig Verkehr und noch weniger Tempolimits. Bei allen Muskelspielen klingt der von zwei Turbos zwangsbeatmete V10 tieffrequent und kraftvoll. Jeder Gangwechsel wird von einer ploppenden Schallwelle begleitet, die den ovalen Endrohren entweicht.
Bei der Kraftentfaltung hat der frei saugende BMW-Motor mit 520 Newtonmetern bei 6.100 Touren das Nachsehen. Wenn nicht der richtige Gang eingelegt ist, verhungert der M5 Touring gegen einen zügig gefahrenen 320d.
Dafür kann der S85B50 das Audi.Pendant (Kürzel BUV) in der subjektiven Wertung knapp ausstechen. Power-Taste gedrückt und 507 statt 400 PS aus dem Käfig befreit: Dank Einzeldrosselanlage hängt der M5-Motor am Gas wie ein hungriger Löwe an seiner Beute. Das Klangbild: Unter 3.000 Touren noch etwas müde, doch ab 4.000 vermischt sich das vollmundige Ansauggeräusch mit den Trompetenchören aus den vier Endrohren. Jetzt geht es zügig bis über 8.000 Umdrehungen – bei wahren Drehzahl-Junkies bahnen sich die Tränen der Entzückung ihren Weg. Wer das SMG-Getriebe auf die schnellsten Schaltzeiten justiert hat, erlebt echte, harte Schaltrucke. Das Gegenteil: Im Schlurf-Modus sorgt jeder automatische Gangwechsel für lästiges Kopfnicken. Echt oldschool, dieser M5.
M5 agiler als RS 6
Dafür fühlt sich der BMW agiler an als der Audi. Der gebrauchte BMW M5 Touring lenkt willig ein, lässt sich millimetergenau platzieren und wirkt somit nicht wie ein knapp zwei Tonnen schweres Auto. Einzig die großen und flachen Contis auf den schicken Zubehörrädern rollen etwas härter ab.
Dem RS 6 steht seine ungünstige Gewichtsverteilung im Weg: 59 zu 41 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse ist alles andere als ideal. Kein Wunder, denn der dicke V10-Biturbo sitzt praktisch komplett vor der Vorderachse. Je enger die Kurven, desto kopflastiger das Fahrverhalten.
Dafür hat der V10 des M5 im Alter einige mechanische Problemzonen: Die Pleuellager quittieren nachlässiges Warmfahren und zu frühes Gasgeben mit lautem Klackern. Wenn sich der Motor träge und schwach anfühlt, arbeiten die Drosselklappensteller nicht akkurat. Schwankender Leerlauf? Liegt meist an defekten Leerlaufstellern. Hinzu kommen defekte VANOS-Einheiten. Im Netz werden M5 oft mit überholtem Motor angeboten, das scheint die bessere Lösung zu sein. Aber der Verkäufer sollte die Investitionen belegen können.
Nicht zu vergessen: Haben die Vorbesitzer häufig mit der Launch Control herumgespielt, kann die Kupplung die Grätsche machen. Kostenpunkt: 835 Euro ohne Einbau. Bei unserem Exemplar fühlt sich alles frisch an.
Mehr Aufwand für mehr
Ärger beim RS 6? Die mangelhafte Verschraubung zwischen Keramikscheibe und Bremsentopf wurde im Rahmen einer Serviceaktion getauscht. Auch eine leckende Ölpumpe kann für lange Gesichter sorgen, denn für den Tausch muss der Motor raus.
Achtung bei Autos, die in Kürze eine 90.000-Kilometer-Inspektion vor sich haben – sie kostet mindestens 1.000 Euro, auch weil für den Zündkerzenwechsel der Motor abgelassen werden muss. Mehr Zylinder, mehr Aufwand: ein exklusives Vergnügen.
Vertrauensfrage
Vor allem beim BMW M5 Touring fällt auf: Ihm fehlt das Geschliffene, das Perfekte der aktuellen Autos. Mit seinem drehzahlhungrigen Saugmotor und dem gestrigen SMG-Getriebe kann er im Alltag ganz schön nerven. Aber er packt dich emotional, er lässt dich nicht kalt. Fest steht: Einen Zehnzylinder wird BMW nie wieder in ein Straßenauto einbauen. Ein ganz ähnliches Bild beim Audi RS 6 Avant: Der Nachfolger ist schon auf den universell eingesetzten V8-Turbomotor umgeschwenkt, der Biturbo-V10 damit Geschichte. Also zuschlagen, solange es diese Autos noch für kleines Geld in anständiger Auswahl zu kaufen gibt.
Dabei bitte nicht vergessen, dass jedes Jahr ein paar Tausender für Reparaturen, Wartung und Unterhalt fällig werden. Und: Egal ob Audi oder BMW, bei beiden sollte die Vmax-Anhebung auf 280 km/h an Bord sein. Wenn man bei 250 km/h gegen die Gummiwand fährt, wird's peinlich. Nach dem E34 war der E61 der vorerst letzte Versuch von BMW, erfolgreich einen M5 Touring zu vermarkten. Vergeblich: Die meisten Fans griffen zur Limousine. Ganz anders bei Audi, hier ist der Avant traditionell die beliebtere Karosserievariante.