Porsche 911 Carrera S, GTS und GT3 im Vergleich
Ehrlich: Porsche 911 GT3, Carrera GTS und S hatten bei Abgabe alle noch Profil auf den Reifen. Okay, es war maximal die gesetzliche Mindestprofiltiefe. Weil wir unserer Querdynamiksucht erlegen sind.
"Wir müssen den Speichelfluss unserer Kunden wecken." Ein typischer Wiedeking-Spruch von damals, als sie in Zuffenhausen noch Ex-Boss Wendelin wie Elvis gefeiert haben. Just in diesem Moment, als das heutige Porsche-Trio mit leidenschaftlichem Boxer-Sägen ins Motodrom reinfegt, war er wieder da – der Wiedeking'sche Speichelfluss.
Porsche 911 GT3, Carrera GTS und S toben in Hockenheim./strong>
Vorneweg tobt der Porsche 911 GT3. In seinem Windschatten soll sich nun der Porsche 911 GTS platzieren und die Lücke zum Carrera S schließen. Welchen Elfer soll ich bloß nehmen? Heute gibt es ein Modellfeuerwerk von 19 unterschiedlichen 911-Varianten. Nun also Porsche 911 Carrera GTS.
Historiker werden angesichts der inflationären Nutzung der drei Buchstaben für Modelle von 911, Cayman, Boxster, Panamera und Cayenne schnauben, schließlich prangte der Urschriftzug früher nicht bloß auf Ausstattungslinien. Zwischen 1963 und 1965 baute Porsche 106 Exemplare des legendären 904 Carrera GTS – eines 740 Kilo schweren Zweisitzers mit bis zu 180 PS, der zu Homologationszwecken für die GT-Klasse entstand.
Zurück in die Gegenwart: "GTS: Das heißt jede Menge Purismus – aber ohne Verzicht", lautet der Porsche-Werbeslogan. Liebe Marketingstrategen, das klingt so gegensätzlich wie für ein Erstsemester die Aussage "Ich kann auch ohne Alkohol Spaß haben".
Porsche 911 Carrera GTS nur ein Abverkaufsmaßnahme?
Erste Befürchtungen: Ist der Porsche 911 Carrera GTS nur eine Abverkaufsmaßnahme, bevor im September das 991-Facelift kommt? Ist das vermeintliche neue Top-Modell der 911-Carrera-Familie doch nur ein aufgemöbelter Porsche 911 Carrera S?
Spurensuche. Die Karosserie mit den um 44 mm weiter ausgestellten Radhäusern stammt vom Carrera 4. Die serienmäßigen 20-Zoll-Räder mit Zentralverschluss trägt sonst der Porsche 911 (991) Turbo S. Für den Porsche 911 GTS wurden sie exklusiv in Mattschwarz lackiert. Gibt's beides nicht ab Werk für den S-Hecktriebler.
Die Sportdesign-Außenspiegel, die optionalen Bi-Xenon-Scheinwerfer in schwarzer Optik samt Kurvenlicht sowie die Sportdesign-Bugschürze trägt der Porsche 911 Carrera GTS serienmäßig. Für den Porsche 911 Carrera S kann alles optional nachbestellt werden. Nur das herrlich klassisch anmutende Luftgitter am Heck, das in uns die 911-Zeiten der 70er wachkitzelt, kann nicht für den Carrera S geordert werden.
Porsche 911 GTS mit 430 PS
Und wie sieht's im Innenraum aus? Der GTS ist schon serienmäßig ein Alcantara-Fan. Für den S sind bei Weitem nicht alle Alcantara-Optionen des GTS-Interieurs erhältlich.
Der GTS will auch mit seinem PS-Plus locken. Im Vergleich zum 400 PS starken Porsche 911 Carrera S klettert die Nennleistung hier dank einer modifizierten Motorsteuerung, Zylinderköpfen mit bearbeiteten und polierten Einlasskanälen, von 11,0 auf 11,7 mm erhöhtem Ventilhub, einer variablen Resonanzsauganlage und einer Sportabgasanlage mit geringerem Gegendruck auf 430 PS. Der GTS trägt zudem das im Carrera S nur optional erhältliche Sport-Chrono-Paket bereits serienmäßig.
Wer glaubt, damit habe sich der GTS ein weiteres Alleinstellungsmerkmal erarbeitet, der hat noch nie etwas von X51 gehört. Hinter dem Optionscode versteckt sich, für satte 13.804 Euro Aufpreis (PDK-Version: 14 232 Euro), der 430-PS-Kit für den Porsche 911 Carrera S.
Porsche 911 Carrera S legt vor
Ein aufgemöbeltes S-Modell ist der Porsche 911 Carrera GTS zwar nicht, doch auf Basis des Carrera S kann ein recht detailgetreues GTS-Double konfiguriert werden. Für die GTS-Kopie müssten allerdings rund 130.000 Euro hingelegt werden – 12 .00 Euro mehr als für einen originalen Carrera GTS. Wer auf Optik steht, für den lohnt sich das GTS-Modell schon einmal.
Jetzt muss der GTS im Vergleichstest beweisen, ob er seinen Aufpreis auch aus fahrdynamischer Sicht rechtfertigen kann. Zuvor hat sein Porsche 911 Carrera-S-Bruder bereits einen gewohnt kräftigen Fußabdruck in Hockenheim hinterlassen: 0–100 km/h in 4,2 s; 200 km/h nach 14,2 s; Verzögerung warm aus 100 km/h in 33,6 m; 18-Meter-Slalom 71,4 km/h; Kleiner Kurs Hockenheim in 1.11,5 Minuten.
Selten haben wir einen, aus sportlicher Sicht, ähnlich zurückhaltend konfigurierten Porsche 911 wie den aktuellen Carrera-S-Testwagen begrüßen dürfen. Überraschungen in der Ausstattungsliste: Stahlbremsanlage statt optionaler Keramikbremse, kein PASM-Sportfahrwerk und keine Carbon-Sportschalensitze zur Gewichtseinsparung. Als fahrdynamikförderliche Optionen trägt der Porsche 911 Carrera S lediglich die Wankstabilisierung PDCC, das Sport-Chrono-Paket sowie 20-Zoll-Sport-Techno-Räder mit breiteren Felgen und Reifen an der Hinterachse (11,5 Zoll statt serienmäßig 11,0 Zoll mit 305er- statt 295er-Bereifung).
GTS verfehlt Werksangabe klar
Soll mit der zurückhaltenden Carrera-S-Konfiguration etwa der GTS-Neuling ins rechte Licht gerückt werden? Fast scheint es so, denn der Carrera-GTS-Testwagen trägt nicht nur die optionalen Sportschalensitze und die aufpreispflichtige Keramikbremse, sondern auch das optionale Sportfahrwerk mit Tieferlegung um 20 mm, härteren Federn und torsionssteiferen Stabis.
Attacke, jetzt sägt im Vergleichstest der 430-PS-Boxer im Porsche 911 Carrera GTS. Wie zu erwarten, ist der Durchzug durch die "schärferen" Nockenwellen des 30-PS-Plus im Drehzahlkeller etwas schlechter geworden. Drehmoment und Nennleistung liegen etwas später als beim 400-PS-Elfer an. Aus diesen Gründen messen wir noch die Elastizitätswerte, die bei S und GTS durch die identische Getriebe- und Achsübersetzung gut vergleichbar sind. Bei der Beschleunigung erkämpft sich der GTS nur leichte Vorteile gegenüber dem Carrera S. Zwei Zehntelsekunden bis 200 km/h sind nicht viel und entsprechen nicht dem von Porsche versprochenen Wert (Werksangabe 0–200 km/h: 13,5 s).
GTS schneller als Carrera S im Kurventanz?
Geradeausbolzen ist was für Stammtisch-Racer, uns interessiert der Kurventanz im Porsche 911 Carrera GTS. Schon in der ersten Kurve des Kleinen Kurses spielt er den kernigeren Rennstreckenbegleiter – straffer, härter und präziser. Mit optionalem Sportfahrwerk offenbart der Porsche 911 GTS spürbar weniger Karosseriebewegungen als der Porsche 911 Carrera S mit recht softem Serienfahrwerk. Im direkten Vergleich fällt auf, wie groß der Unterschied zwischen den Fahrwerken eigentlich ist.
Während der Porsche 911 Carrera S im Vergleichstest ein ganz leichtes Einlenkuntersteuern zulässt, lenkt der GTS agiler ein. Insgesamt gebärden sich aber beide Elfer ähnlich porschig, oder anders: direktes Einlenken, neutrales Fahrverhalten, kaum Lastwechselsperenzien, hohe und konstante Verzögerungswerte im Grenzbereich, grandiose Traktion unter Last. Immer wieder faszinierend, wie die elektronisch geregelte Hinterachssperre dabei im Grenzbereich unmerklich durch gezielte Bremseneingriffe am kurveninneren Hinterrad mitarbeitet.
Auffälliger: Die unterschiedliche Rückmeldung der optionalen Servolenkung Plus von Carrera S und GTS. Während im S-Modell die Haltekräfte spürbar straffer ausfallen, agiert das eigentlich baugleiche Pendant im GTS subjektiv leichtgängiger – für sportliche Geschmäcker zu leichtgängig. Waren hier verschiedene Entwicklungsstände unterwegs?
Ebenfalls rätselhaft: die gegenüber der Carrera-S-Stahlbremse schlechteren Standardbremswerte der GTS-Keramikbremse. Unsere Erfahrungswerte zeigen, dass die Keramikvariante hinsichtlich der Dauerhaltbarkeit und des geringeren Gewichts Vorteile bietet, ansonsten aber auf identischem Niveau mit der Stahlbremse verzögert, keinesfalls aber deutlich schlechter. Definitiv ein Ausrutscher.
Porsche 911 GT3 kommt zum Zug
Mehr Lob gibt es für die Rundenzeit in Hockenheim. Mit 1.10,9 Minuten absolviert der Porsche 911 Carrera GTS den Kleinen Kurs als zweitschnellster Elfer der Carrera-Modelle aus der 991-Baureihe. Nur der sehr gut konditionierte Carrera S aus dem Supertest ( sport auto 12/2011) war noch eine halbe Sekunde schneller. Angesichts fast gleicher Beschleunigungs- und Elastizitätswerte fragen sich böse Zungen doch fast, ob sich in den Supertest-Carrera-S nicht damals schon zufällig die 430-PS-Leistungssteigerung verirrt hatte.
Fazit: Ein mit Sportfahrwerk konfigurierter Carrera S ist in Hockenheim auf GTS-Niveau unterwegs. Aus fahrdynamischer Sicht halten sich die Kaufgründe für das neue Elfer-Modell also in Grenzen.
Szenenwechsel im Vergleichstest: Röcheln, rasseln, mahlen, sirren, sägen, boxern – das Anlasskonzert der Motor- und Getriebegeräusche des Porsche 911 (991) GT3 schmeckt schon im Stand nach Motorsport. Dabei wirft der GT3 bei jedem Kaltstart blauen Abgasrauch, als wollte er sämtliche Rauchmelder aus dem Tiefschlaf wecken.
Porsche 911 GT3 nur mit PDK
Auch wenn der 3,8-Liter-Direkteinspritzer mit 475 PS verdächtig nach Porsche-Rennsport klingt, hat er damit nichts gemein. Die Rennmodelle nutzen allesamt einen Boxer ohne Direkteinspritzung, der noch auf dem von den Fans so gehuldigten Mezger-Motor mit zweiteiligem Aluminium-Kurbelgehäuse basiert. Dessen Grundkonstruktion arbeitet in allen 911-GT-Modellen der 996- und 997-Baureihe. Mit dem 991 GT3 endet aus Kosten-und Produktionsgründen die Ära des Mezger-Kultmotors. Das aktuelle GT3-Aggregat basiert auf dem Sechszylinder mit der internen Bezeichnung 9A1, der auch in der aktuellen 911-Carrera-Generation verbaut wird.
Nicht nur der Motor, auch das Getriebe erzürnt die Fanseele. Als erster Porsche 911 GT3 überhaupt geht die 991-Version ausschließlich mit PDK-Getriebe an den Start. Porsche hätte vielleicht ähnlich clever wie BMW in der M3/M4-Baureihe handeln und einen puristischen Handschalter weiterhin optional anbieten sollen – zumindest für das Seelenheil der Fans, die nicht unbedingt auf der Suche nach der letzten Zehntelsekunde sind.
Zu den daraus folgenden Lästereien in den einschlägigen Foren und Stammtischrunden gesellte sich Ingenieurs-Pech. Thema: GT3-Motorschäden. Eine gelöste Pleuel-Verschraubung führte zu losen Pleueln, die das Kurbelgehäuse beschädigten. Öl trat aus und entzündete sich auf heißen Bauteilen im konstruktiv engen Motorraum, was zu Fahrzeugbränden führte (offiziell: zwei Brände).
Nur 1.084 GT3 der 991-Generation
Daraufhin tauschte Porsche, im Rahmen einer umfangreichen Rückrufaktion, bei 785 Fahrzeugen die Motoren komplett aus. Auch die anschließend gebauten Porsche 911 GT3 tragen das Austauschtriebwerk. Die Wartezeit auf die verzögerte Auslieferung und die Ausfallzeit für die Besitzer vergütete Porsche mit 175 Euro netto pro Tag. Da draußen gibt es nun also Porsche-Fahrer, die zum Kurs eines Carrera S (ab 105.173 Euro) jetzt GT3 fahren.
Laut Porsche-Insidern werden aktuell keine Neubestellungen mehr angenommen und die 991-GT3-Produktion endet im Februar 2015 nach nur 18 Monaten Bauzeit. Stoff, aus dem Legenden geschnitzt werden – und der 991 GT3 wird eine Legende werden; wetten, dass?
Mit insgesamt nur 1.084 gebauten Fahrzeugen bis Februar 2015 hat der Porsche 991 GT3 schon jetzt das Zeug zum Kultstatus. Mit seiner geringen Stückzahl zählt er, hinter 997 GT3 RS 4.0 (600 Exemplare) und 996 GT3 RS (682 Exemplare) zum drittseltensten Modell, das je von einem GT3 oder GT3 RS gebaut wurde.
PDK mit echtem manuellen Modus
Vollgas, Zeit für eine leidenschaftliche Ehrenrunde auf dem Kleinen Kurs. Leidenschaft bedeutet im Porsche 911 (991) GT3 eine Höchstdrehzahl von 9.000/min – fantastische 1.200 Touren höher als bei 911 Carrera S und GTS. Nach Gehör schalten? Gar nicht so einfach im GT3 – in den ersten Runden zupft man bereits bei 8.000/min an der Schaltwippe, nachdem das Trommelfell viel zu früh zum Schalten mahnt.
Apropos Schalten – klar sind wir auch Fans von manuellen Schaltgetrieben, aber das für den Porsche 911 GT3 modifizierte PDK lädt zum Tanz im Grenzbereich nur so ein. Mit schnelleren Schaltzeiten, Gangwechseln mit Momentenüberhöhung sowie kürzeren und satteren Wegen der Schaltwippen ähnelt der GT3 in diesem Punkt wieder fast einem Rennwagen.
Anders als in allen anderen PDK-Modellen verfügt das PDK im Porsche 911 GT3 über einen echten manuellen Modus. Eine nervige Kick-down-Funktion, die auch im manuellen Modus auf der Rennstrecke autonom hoch- und runterschaltet, gibt's hier nicht. Bitte das GT3-PDK mit dem 991-Facelift in allen Elfern installieren. Und bitte werft, wie im GT3, endlich den Kick-down-Sockel am Ende des Pedalwegs raus – der fühlt sich immer so unsportlich wie eine Mercedes-Automatik der 80er an. Und wenn wir schon dabei sind: Die kürzeren Übersetzungen sowie die Auslegung des siebten Gangs als Fahrgang, in dem die Höchstgeschwindigkeit erreicht wird, wünschen wir uns auch als Option bei allen anderen Elfern.
Porsche 911 GT3 mit sehr präziser Vorderachse
Schreien, brüllen, kreischen – zum GT3-Konzert gen Höchstdrehzahl gesellt sich eine Vorderachse, deren Präzision fast Rennwagencharakter hat. Nach dem Umstieg von Porsche 911 Carrera S und GTS bremst man im Porsche 911 GT3 auf den ersten Metern zu früh und lenkt vor allem zu früh ein. Bremspunkte lassen sich hier, dank der gut dosierbaren Keramikbremse mit perfekter ABS-Abstimmung und dem hohen Gripniveau der Michelin-Cup-2-Sportreifen, noch punktgenauer setzen. Einlenkuntersteuern? Von wegen, der Porsche 911 GT3 trennt Kurven von Geraden so scharf wie ein Sushi-Messer.
Wir reden bisher immer nur von der Vorderachse und dem ersten Teil des Kurvenverlaufs. Bei 95 Prozent Einsatz rennt der GT3 im Vergleichstest weitgehend neutral ums Eck, alles drüber hinaus erfordert eine kundige Hand am Lenkrad. Stammtischler, die den 991 GT3 als Hausfrauen- Sportler verspotten, sollten ihn mal im absoluten Grenzbereich erleben. Auf Lastwechsel reagiert der Flügel-Elfer dann mit zackig einrückendem Heck. Auch bei allzu motiviertem Lasteinsatz beim Herausbeschleunigen drängt der GT3-Hintern. Anders als bei den 991-Turbo-Modellen wird ein Zugewinn der Hinterachslenkung im Grenzbereich nicht offensichtlich. Für einen schnelleren Auftritt müsste die Hinterachslenkung genauso wie das einstellbare Fahrwerk feinjustiert werden.
991 GT3 RS - Vierliter mit 500 PS
Schwamm drüber, der Turbo S drischt in Hockenheim ja auch schon fast langweilig neutral ums Eck. Im Porsche 911 GT3 muss mehr gearbeitet werden. Mit einer Rundenzeit von 1.09,5 Minuten knackt der 991 GT3 bei seinem Abschied nicht nur die Supertest-Rundenzeit um eine Zehntelsekunde, sondern stellt auch die Marke des legendären 997 GT3 RS 4.0 ein.
Stichwort Vierliter – der 991 GT3 RS löst den auslaufenden GT3 ab und wird im März auf dem Genfer Autosalon präsentiert. Gerüchteweise wurde über die Rückkehr zum Mezger-Motor spekuliert, doch dem ist wohl nicht so. Ernst zu nehmenden Quellen zufolge wird der 991 GT3 RS einen Vierliter-Boxer auf 9A1-Basis mit Direkteinspritzung sowie 500 PS tragen, der ebenfalls bis 9.000/min drehen wird. Wenn das mal nicht den eingangs erwähnten Wiedeking'schen Speichelfluss der GT3-Kunden wieder anregt.