BMW mit Elektro-Offensive für die Zukunft
Später als erwartet präsentierte BMW-Chef Harald Krüger seine Zukunftsstrategie, bekam aber Rückendeckung durch den Aufsichtsrat. Doch was heißt das nun für den Modellfahrplan? Es wird nicht alles anders – aber doch einiges, wie unsere Recherchen zeigen.
Man ist nie aus der Mode, höchstens zu früh dran. Ein wenig ist es BMW mit den i-Modellen so ergangen. Als i3 und i8 im Jahr 2013 auf den Markt kamen, hat sich die Konkurrenz nur die Augen gerieben. Fahrgastzelle aus Kohlefaser, rein elektrisch betrieben – da konnten die anderen nicht mit. Jetzt kommt Opel im Frühjahr mit dem Ampera-e. Ganz ohne das Kohlefasergedöns, dafür mit voraussichtlich fast 500 km Reichweite. Da klingen die 300 km, die der i3 seit der Modellpflege schaffen soll, lange nicht mehr so revolutionär.
Und während auf dem Pariser Autosalon bei Mercedes oder auch VW die vollelektrische Zukunft beschworen wurde, war BMW-Chef Harald Krüger nicht mal anwesend. Fazit der Messe: Ab 2018 rollt sie, die Elektroauto-Welle. Mit Reichweite. von über 500 km. Allerdings ohne neue i-Modelle. Hat BMW geschlafen?
Neues E-Auto wohl erst 2021
Nun, zumindest gezögert. Das Ergebnis: Audi C-BEV, Porsche Mission E und Mercedes EQ werden nach dem heutigen Stand vor dem i5 (oder i6, noch nicht entschieden) im Handel stehen. Das hat aber auch Vorteile. So kann BMW den nächsten, absehbaren Technologiesprung bei den Batterien nutzen und eine Elektroauto-Plattform aufsetzen, mit der E-Autos voll flexibel in allen Werken vom Band laufen können. Egal ob der Marktanteil der E-Autos zwischen 2020 und 2030 nun auf 25 oder vielleicht sogar 75 Prozent steigt – BMW kann immer liefern. Krüger jedenfalls verbreitet erwartungsgemäß Optimismus: „Unsere Strategie Number One Next setzt auf den konsequenten Leichtbau, alternative Antriebe, Konnektivität, das autonome Fahren und das Interieur der Zukunft. Der iNext wird dabei ab 2021 die Maßstäbe vorgeben.“
Das erste Auto der zweiten E-Auto-Generation wird voraussichtlich eine viertürige, Coupé-ähnliche Limousine im Format eines BMW 5er. Da E-Auto-Architekturen mehr Platz auf der gleichen Grundfläche bieten als Autos mit Verbrennungsmotoren, wird der i5 etwas kürzer sein als ein 5er, aber über ein vergleichbares Platzangebot verfügen. Die Systemleistung wird in etwa der heutiger Sechs- und Achtzylindermotoren entsprechen. Die Batteriekapazität liegt bei rund 110 kWh. Die einzelnen Zellen sind mit gut elf Zentimetern Höhe etwas flacher als bei Mercedes angelegt. Dafür wird es mehr davon geben. Das Basismodell bietet 550 km, gegen Aufpreis gibt es mehr Leistung und eine Reichweite von bis zu 750 km. Kurz nach der iNext Limousine (i5/i6) soll auch noch ein Crossover-Modell folgen.
Diskutiert wird noch über dessen Größe, aktuell wird das X5-Format favorisiert. Beide Modelle sollen zudem das vierte Level auf dem Weg zum vollautonomen Fahren erreichen. „Auch in der Zukunft wird BMW i die Innovations-Vorreiterrolle im Konzern behalten. Die nächsten großen Themen sind hier die Digitalisierung und das autonome Fahren. Der iNext wird unseren Führungsanspruch in diesen Technologien belegen. Und natürlich werden wir auch diese Innovationen dann wieder in alle Architekturen, Produkte und Marken ausrollen“, sagt Klaus Fröhlich, Vorstand für Forschung und Entwicklung der BMW AG.
Ebenfalls wichtig: Alle künftigen E-Autos von BMW werden über eine Schnelllademöglichkeit verfügen. Bei bis zu 800 Volt könnten die Autos 100 km Reichweite in rund fünf Minuten nachtanken. BMW profitiert bei der iNext-Entwicklung von den bisherigen Erfahrungen mit i3 und i8, aber auch vom Engagement in der Formel E. Von dem dort eingesetzten Antrieb lässt sich vor allem viel über die Steuerung lernen. Die Batterietechnik kommt weiterhin aus dem eigenen Werk in Landshut. Die Zellen soll aber ein Zulieferer produzieren.
Auch 3er und Co. elektrisch
Parallel zu iNext will BMW auch die Baureihen 3er, 5er und 7er künftig als reine Elektroautos anbieten – auf einer Mischplattform, die immerhin bis zu 500 km Reichweite ermöglicht. Diese Modelle werden preislich unterhalb der iNext-Fahrzeuge liegen. Sie dürften ähnlich teuer wie ein gleich starker Benziner sein und schnell für großes Volumen sorgen. Man müsse auch die Klimaziele erreichen, da reichten Leuchtturmprojekte nicht aus, heißt es aus Entwicklerkreisen.
„Jetzt zünden wir die zweite Phase unserer Elektrifizierungsstrategie mit Plug-in-Modellen in den klassischen Baureihen und auch weiteren rein elektrischen Antrieben beim Mini und beim X3“, erläutert Krüger. Für 2019 steht der E-Mini in Krügers Modellfahrplan, 2020 der E- X3 – zur Überraschung einiger Entwickler. „Es wäre schön, wenn uns das früher mitgeteilt worden wäre“, murrt ein Ingenieur, der anmahnt, dass das avisierte Reichweite.ziel nicht völlig trivial sei. Doch um den von Europa für 2020 vorgesehenen Flottengrenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer zu erreichen, muss BMW noch 30 Prozent einsparen. Zum Vergleich: 2014 verkündete der Konzern, 37 Prozent eingespart zu haben – seit 1994.
Pikant: Momentan verlangen wichtige Absatzmärkte wie die USA, aber auch Europa, vor allem nach SUV in allen Klassen. Deshalb legt BMW eigens den mächtigen X7 auf Kiel, und selbst der kleine X2 tritt natürlich gewichtiger und mit einer größeren Stirnfläche auf als ein entsprechender Kompaktwagen.
Was also tun? Umfassend elektrifizieren natürlich. Wann? Jetzt. Deshalb zerbricht man sich in München derzeit heftig den Kopf, ob nicht doch der eigentlich nur für China vorgesehene X1 xDrive 25 Le auch in Europa angeboten werden müsste. Den Antriebsstrang von der Langversion an den 13 Zentimeter kürzeren Radstand des Europamodells anzupassen, wäre vergleichsweise einfach. Der Plug-in-Antrieb selbst ist bekannt, die Kombination aus 136-PS-Dreizylinder-Benziner und 65-kW-E-Aggregat im Heck steckt bereits im 2er Active Tourer und wurde jüngst auch im neuen Mini Countryman vorgestellt.
Die Frage nach der Leistung
Generell hadert BMW noch etwas mit der aktuellen PHEV-Strategie, die einen möglichst kleinen Verbrennungsmotor vorsieht – im X5 und 7er also einen Zweiliter-Vierzylinder. Die Modelle kommen in europäischen Ländern mit entsprechender steuerlicher Förderung gut an, in den USA jedoch nicht.
Dort wünschen die Kunden mehr Leistung. Also experimentiert BMW sicherheitshalber mit einer Variante, die den aufgeladenen Reihensechszylinder beinhaltet. Parallel dazu wird auch das Power-eDrive-Konzept mit zwei E-Motoren weiterverfolgt. Tja, und dann wäre da noch ein weiterer Trend: Power-SUV. Wegen des Konkurrenzumfeldes muss der nächste X3 auch in einer M-, mindestens aber M-Performance-Variante kommen, möglicherweise mit dem Quad-Turbodiesel-Triebwerk. Hier hat sich BMW vom Audi SQ5 und vom Mercedes-AMG GLC 43 vorführen lassen, obwohl man mit den schweren Kalibern X5 M und X6 M vor Jahren ebenfalls sehr früh dran war. Zu früh? Nein, denn im Gegensatz zu den i-Modellen spülen diese Fahrzeuge viel Geld in die Konzernkasse – bereits in der zweiten Generation.
Ein „e“ reicht nicht
Eine zweite Plug-in-Hybrid-Stufe ist bereits in der Entwicklung – und mehr rein elektrisch angetriebene Modelle als gedacht. Derzeit bietet BMW vier Plug-in-Hybrid-Modelle an, auf Basis des 5er folgt das nächste. Darüber hinaus wird erwogen, den nur für China entwickelten X1 xDrive 25e auch in Europa anzubieten. Der Antriebsstrang mit 65-kW-E-Aggregat an der Hinterachse und Dreizylinder-Benzinmotor vorn passt ebenso gut in den X2. Als nächste Stufe kommt die sogenannte Power-E-Drive-Architektur mit je einem E-Motor an Vorder- und Hinterachse – interessant auch für den schweren X7. Doch erst der Verbrenner garantiert die angekündigte Reichweite von über 600 Kilometern.
Spät dran, aber noch nicht zu spät
Klar, von der i-Euphorie ist in Anbetracht des mäßigen Absatzes nicht viel übrig. Andererseits geht BMW davon aus, dass im Verbrennungsmotor eine Effizienzsteigerung von maximal einem Fünftel im Vergleich zu heute möglich ist – und selbst das ist wirtschaftlich nicht darstellbar. Was das bedeutet? Elektrifizierung auf Teufel komm raus, bis hin zu den M-Modellen. Die Weichen werden gerade gestellt, der Druck ist hoch, die nächsten Jahre werden arbeitsintensiv. Doch die Erfolgsaussichten sind gut, da BMW mit einem sehr breit gefächerten Angebot Kunden locken kann.