Kommentar über gewichtsoptimierte Sportwagen
Jens Dralle möchte in seinem Kommentar gerne wissen, wo sie sind, die ganz eisernen Auto-Fans, die sich nicht nur gewichtsoptimierte Sportwagen wünschen, sondern sie auch kaufen – und dann mit allen Konsequenzen leben.
Ein Abend in Innsbruck, es könnte schlimmer kommen, zumal der eigentliche Arbeitsauftrag mehrere Hundert Kilometer nördlich in einem Stau feststeckt. Also Freizeit. Wunderbar. Im Stiftskeller schenken sie Augustiner Weißbier aus, servieren einen ordentlichen Wurstsalat. Ich durfte hierher mit einem Wagen anreisen, der a) diese leicht patinierte Bezeichnung voll verdient und b) daher nie durch sport auto fahren wird.
Zum Teil erhebliche Vernachlässigung der Alltagstauglichkeit
Das handwerklich perfekte (allein diese Lackierung!) Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé spielt die Hauptrolle in einer Geschichte bei auto motor und sport, nachzulesen in Heft 15, wenn Sie möchten. Geradezu perfekt repräsentiert das 5,61 Meter lange und 2,6 Tonnen schwere Cabrio das völlige Gegenteil Ihres vierrädrigen Ideals, liebe Leser.
Obwohl ich die Ausfahrt genoss – es eilte nicht –, wäre mir Ihr Wunschfahrzeug viel lieber gewesen als der Rolls – dort, im Geschlängel zwischen Kochel- und Walchensee. Abgesehen von ein paar motivierten Motorradfahrern war nicht viel los, und schon röhrte in den ersten engen Kehren ein Renault Clio R.S. durch meine Gedanken, der mit dem Zweiliter-Saugmotor, na klar, ohne Klimaanlage und Radio, mit Schalensitzen und wüst-gierigem Handling. Jeder Meter damit auf einer Passstraße oder gar einem abgesperrten Handlingkurs fördert völlig unbekannte Glücksgefühle zutage, wirft die Frage auf, weshalb Autos dieser Art aufgrund ihres berauschenden Wesens nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen.
Das würde dann ziemlich viele Modelle betreffen. Die jüngsten Beispiele: Allen voran der vom Kollegen Schurig in der letzten Ausgabe völlig zurecht aufgrund von Preis und Verfügbarkeit verbal niedergemetzelte Porsche 911 R. GT3 RS passt natürlich. Und der VW Golf GTI Clubsport S. Selbst ein Seat Leon Cupra 290 passt in diese Aufzählung, denn er kann ab Werk um einige Komfort-Extras erleichtert werden. Dann wären da noch freie Radikale wie Caterham Seven, Lotus Elise und KTM X-Bow sowie die Helden vergangener Tage wie eben jener Clio oder der BMW M3 CSL.
Was für herrliche Fahrzeuge allesamt, nur gebaut, um Geraden zu ignorieren und jede noch so sanft geschwungene Kurve zur Einfahrt ins Hatzenbach-Geschlängel zu überhöhen. Jeder von ihnen repräsentiert in seiner Klasse das konsequente Maximum an Fahrdynamik unter zum Teil erheblicher Vernachlässigung der Alltagstauglichkeit – also genau das, was Sie von uns einfordern zu testen und was wir in Ihrem Namen von den Herstellern verlangen sollen zu bauen.
Kaufen Sie Sportwagen ohne jeglichen Schnickschnack?
Aber jetzt schauen wir uns mal ganz tief in die Augen. Ganz tief. Und dann frage ich Sie: Kaufen Sie genau das dann auch? Also so richtig, ohne jeglichen Schnickschnack? Schummeln gilt nicht. Wenn Sie in Ihrer Garage noch mindestens ein weiteres Auto stehen haben, sind Sie raus. Ich hätte liebend gerne einen BMW M3 CSL. Mit Klimaanlage. Oder den Clio. Mit Klimaanlage und Radio. Oder einen GT3 RS. Mit Klimaanlage, Navigationssystem und ordentlichem Licht. Sie offenbar auch, denn die meisten dieser Fahrzeuge verlassen die Produktion mit eben jenen Extras.
Warum? Weil Sie erkannt haben: Jene Zehntelsekunden, die ein Profi durch die eingesparten Kilogramm herausholt, finde ich in diesem Leben nicht mehr auf der Rennstrecke. Aber ich komme erheblich entspannter dort an. Nicht falsch verstehen: Ich zähle nicht zu jenen, die bei einem GT3 RS die Schalensitze abbestellen (solche Kunden gibt es!), das ginge doch arg gegen den Charakter dieses Krachers.
Aber ich jaule auch nicht laut auf, wenn ein Hersteller, ojemine, mal wieder ein Fahrzeugkonzept nicht zu Ende gedacht hat. Vielleicht beobachtet er einfach nur das Verhalten seiner Kunden. Und zwar ganz konsequent.
Dieser Kommentar stammt aus dem neuen sport auto-Heft 8/2016. Unter anderem finden Sie in dieser Ausgabe folgende Tests und Fahrberichte:
- Das klassische Duell: BMW M4 Competition gegen Mercedes-AMG C 63 S Coupé
- Porsche 911 R im Test: Der puristische Leichtbau-Elfer mit Hochdrehzahlsauger und Schaltgetriebe
- Audi TT RS mit 400 PS: Erste Runden im neuen TT-Topmodell in Le Mans
- Neuer Porsche 718 Cayman S: Erste Fahrt im turbogeladenen Vierzylinder
- Breiter, stärker, schneller: Die Technik des Mercedes-AMG GT R im Detail
- Erster Test des Porsche 718 Boxster S: Wie schlägt sich der 350-PS-Roadster in Hockenheim?
- Nissan GT-R überarbeitet: Mehr Leistung, mehr Komfort. Der neue Godzilla in Spa-Francorchamps
- Lamborghini Huracán im Supertest: Mit 610 PS auf der Nordschleife und in Hockenheim
- Roadster-Feeling auf das Wesentliche reduziert: Fiat Abarth 124 Spider im Fahrbericht
- Sportliche Kompakte: Opel Astra 1.6 Turbo gegen Peugeot 308 GT und Renault Mégane GT im Vergleichstest
- Aston Martin Vulcan: Tracktest des 831-PS-Renners auf der Formel-1-Piste in Abu Dhabi
- Jaguar F-Type SVR: Erste Fahrt im neuen F-Type-Spitzenmodell mit 575 PS und Allradantrieb
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