Größer, schwerer, besser?
Porsche gibt endlich den Fahrersitz des neuen 911 frei, zunächst in der 450 PS starken S-Variante. Was der Sportwagen drauf hat? Vieles. Sehr vieles. Und etwas ganz Besonderes: Er kann seinen Fahrer vergessen machen.
Na, wer kann sich noch erinnern? Damals im Kino, „Men in Black“, als sich Will Smith erstmals durch die Filmgeschichte blitzdingste, um unbescholtene Bürger das gerade eben gesehene, außerirdische vergessen zu lassen? Gut. Porsche baut jetzt ein Blitzdings mit vier Rädern: Den 911 Generation 992, der zunächst als S mit Hinter- und Allradantrieb auf den Markt kommt, vorerst ausschließlich mit Doppelkupplungsgetriebe.
Fahrwerk: Mehr Grip dank Mischbereifung?
Wenn du hinter das Dreispeichenlenkrad auf den optionalen adaptiven Sportsitz rutschst, bist du sofort mittendrin, der zentrale Drehzahlmesser glotzt dich an, eine acht am Ende der Skala, das einzige analoge von insgesamt fünf Rundinstrumenten. Schon bollerschnarrt der Dreiliter-Sechszylindermotor im Leerlauf, Wählhebel auf D, ab dafür. Warmlaufen auf der Autobahn, streng geschwindigkeitslimitiert, also die abstandsbasierte Geschwindigkeitsregelung aktiviert. Ja, das konnte schon der 991, jedoch nicht ganz so verschliffen wie der Neue.
Seit erreichen vom Tempo 90 verharrt der ausfahrbare Heckflügel mit seiner um 45 Prozent größeren Fläche in der so genannten Eco-Stellung, ab 150 km/h positioniert er sich im steileren Performance-Anstellwinkel. Überhaupt assistiert der neue 11er Wunsch reichlich, mit Rundum-Kamera und Nachtsichtgerät beispielsweise. So sei es. Was aber auch ist: Eine bislang nicht so ausgeprägte Neigung steif über Querfugen zu dübeln – bei insgesamt nachwievor sehr gutem Federungskomfort im Sportwagen-Segment.
Woran das liegt? An den gestrafften Federn und Dämpfern sowie der neuen, von den GT-Modellen übernommene Mischbereifung: 20 Zoll vorne, 21 Zoll hinten. Ja, verspricht Porsche, dafür soll der Elfer nun noch ernsthafter durch Kurven fetzen, weil zugleich die Spurweite vorne um 46, hinten um 39 Millimeter wuchs. Zudem können so die Stabis weicher ausfallen, was wiederum den mechanischen Grip auf ein neues Niveau hebt. Heben soll. Denn die Kurven kommen ja noch.
Fahrverhalten: Leichter trotz Mehrgewicht
Jetzt. Endlich runter von der Autobahn, sofort beginnt sich die Straße tiefer ins Hinterland von Valencia zu schlängeln. Aber sowas von. Da hat die eine gerade erst ihren Scheitelpunkt zu Ende gedacht, lacht schon der Einlenkpunkt der nächsten. Was der Elfer damit anzufangen weiß? Er verwandelt die Straße in seine Bühne, schiebt den eh schon hoch angesiedelten Grenzbereich des 991 weiter nach oben, scheinbar mühelos, ungeachtet des Mehrgewichts von 55 Kilogramm.
Das umgekrempelte Fahrwerk hält jedes Versprechen, die Vorderräder finden viel länger halt, die Querbeschleunigung macht dich kirre, du glaubst, erste Druckstellen von den Seitenwangen der Sitze in deinen Flanken zu spüren. Jetzt wieder: Anbremsen. Auf den Asphaltkrümel genau, mit klar definiertem Druckpunkt und verbindlichem Pedalgefühl auf kurzem Weg. Dann: Einlenken. Erfordert etwas mehr Kraftaufwand als bislang, doch das darf gerne ins Kapitel Geschmackssache verschoben werden. Warum? Weil das Lenkgefühl noch immer stimmt, noch lockerer wirkt, weil die Allradlenkung eine Idee direkter agiert, dabei natürlich bleibt, weil der Lenkkraftaufbau schnell aber linear erfolgt. Zusammen mit der Torque-Vectoring-Funktion und dem hinteren Sperrdifferential potenziert sich speziell bei mittleren Radien der Punch in Richtung Scheitelpunkt, bevor dann das Dreiliter-Triebwerk wieder losfeuern darf, früh, weil der Allradantrieb zusätzlich die Traktion sichert – ohne das Fahrverhalten zu versaubeuteln.
Denn wenn der Porsche beschließt, das jetzt doch mal gut ist, irgendwann, dann, wenn du schon gar nicht mehr dran glaubst, schiebt er sacht über die Vorderräder, wie gehabt, schwingt dann aber flugs mit dem Hintern nach. Arbeitet die Regelelektronik im Vollschutz, dann kraspelts jetzt ein bisschen im Chassis, die Richtung passt wieder, die Motorleistung kann schnell wieder voll abgerufen. Im Sport-Modus darfst du da gerne gegenlenken, mehr als nur ein bisschen, erst dann folgen feine Bremsimpulse. Ganz ohne geht auch, aber das ist eine andere Geschichte.
Getriebe: Mächtig ab 2400 Umdrehungen
Also macht der Porsche 992 seinen Vorgänger vergessen? Nein. Auch nicht wegen des Motors, denn der alte bleibt gut, doch die modifizierte Variante des Boxer-Triebwerks schiebt wuchtiger von unten, dreht freier nach oben. Neue, größere Turbolader (um 48 mm größeres Turbinenrad, um 55 mm größeres Kompressorrad), nun symmetrisch arbeitend, neu positionierte Ladeluftkühler, Piezo-Injektoren, asymmetrischer Ventilhub im Teillast-Bereich – nur ein Teil der umfangreichen Modifikationen.
Ja, und dann wäre da noch der Ottopartikelfilter. Also herrscht jetzt Ruhe im Elfer? Nun, die exaltierten Klangspitzen fehlen nun, doch das Aggregat inhaliert immer noch gurgelnd, donnergrollt durch den niedrigen Drehzahlbereich, brüllt bald, schreit am Ende heiser. Alles gut. Es kribbelt. Noch immer. Zumindest bei montierter Sportabgasanlage. Wieder Schub. Mächtig ab 2400 Umdrehungen. Dann: Unbedingter Wille, zu drehen. Gleichmäßig, entschlossen, kultiviert. Bis 7.500/min.
Gangwechsel. Im Sport Plus-Modus nun mit mehr Drama, nicht nur schnell, sondern auch ein bisschen ruppig-verwegen. Der Sprung vom sechsten in den siebten fällt nun deutlich kürzer aus, weil ja noch der achte da ist. Klar, du kannst wunderbar mit den Schaltpaddeln daddeln. Wieder einmal jedoch verblüfft das Talent eines Porsche-Getriebes, selbst bei sehr forscher Fahrweise ganz alleine den passenden Gang zu finden, wirklich immer, zumindest bei dieser Ausfahrt.
Nicht so toll: Wahlhebel-Konsole, Rundinstrumente, Türgriffe
Ach ja: Am Wahlhebel schalten, das geht nun nicht mehr. Weil irgendjemand bei Porsche darauf bestand, dass der ganz besonders klein sein muss. Und auf einer Art schwebender Konsole sitzt, unter die nie ein Staubsauger reichen wird. Gibt bestimmt bald Carbon-Wattestäbchen im Porsche-Zubehör zum Schnäppchenpreis. Noch mehr Unfug: Die nun wieder vollständig separierten Rundinstrumente, von denen die äußeren beiden sich konsequent hinterm Lenkradkranz verstecken. Ach ja, dann wären da noch die komplexen und fummeligen, weil nun versenkten und bei Bedarf elektrisch ausfahrbaren Türgriffe. Braucht kein Mensch. Aber glücklicherweise lässt dich der Elfer vergessen, sobald du ihn fährst. Schnell fährst.